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Ulrich Vetsch: Schweiz und Vorarlberg

er regiert wird, nicht lebensfähig ist. Die Existenzbedingungen dieses Kleinstaates von 6 Millionen Einwohnern mit seiner übermässig grossen Hauptstadt von 2½ Millionen Einwohnern – man hat nicht mit Unrecht Wien als den Wasserkopf Deutschösterreichs bezeichnet – sind zu ungünstig, als dass nicht früher oder später dieser unnatürliche Staat zusammenbrechen müsste. Und zwar wahrscheinlich früher als später; der Kurs von 5 Rappen für die Krone spricht in dieser Hinsicht eine zu beredte Sprache. Was aber dann? — Dann wird wahrscheinlich eintreten, was die Diplomaten am grünen Tisch zu verhindern suchten: die Vereinigung Deutschösterreichs oder Oesterreichs, wie es nun offiziell heisst, mit Deutschland.

Was hat dies für Konsequenzen für die Schweiz? Ein Blick auf die Karte gibt Ihnen die Antwort. Deutschland wird unser Nachbar nicht nur auf unserer Nordgrenze wie bisher, sondern auch an unserer Ostgrenze sein. Nun werden Sie mir einwenden: „Was hat dies alles mit der Vorarlberger Anschlussfrage zu tun? Das Verhältnis bleibt sich ja gleich, die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz wird sich von Basel bis zum Stilfserjoch erstrecken, mag Vorarlberg zur Schweiz oder zu Deutschland gehören.“ Das ist richtig. Und doch ist diese Argumentation falsch, und zwar deshalb, weil die Grenze im einen wie im andern Falle eine durchaus verschiedene ist. Im ersteren Fall – Vorarlberg als Bestandteil der Schweiz gedacht – verläuft die Grenze im grossen Ganzen auf den Gebirgskämmen, und nur um den Pfänder herum finden sich bequeme Kommunikationen mit dem deutschen Reiche. Sonst bildet überall das unwirtliche Gebirge die Grenze;

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Ulrich Vetsch: Schweiz und Vorarlberg. Fehr'sche Buchhandlung, St. Gallen 1920, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vetsch_Ulrich_Schweiz_und_Vorarlberg_Vortrag_Neue_Helvetischen_Gesellschaft_1919.pdf/6&oldid=- (Version vom 18.4.2023)