Seite:Volksbuch für Schleswig Holstein und Lauenburg 1844 081.jpg

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und nicht der Pflug des Landmanns hat sie von dort vertrieben, wie man uns aus andern Gegenden berichtet. Ihre Zeit war eben um, das kleine Volk ist ausgestorben. Das wissen die Leute auch recht gut; wenn sie Geschichten erzählen von den. „Unnereerschen“, so fügen sie wohl hinzu, wie das jetzt alles ganz anders ist, seit der König von Dänemark im ganzen Königreiche und in den Herzogtümern die Löcher hat zustopfen lassen, aus denen sie sonst hervorkamen, und allenthalben Wachen hingestellt hat, so daß sie nun wohl unten bleiben müssen. – Aber lange ist es noch nicht her, daß unser Land nicht mehr von diesen Wesen bewohnt wird; unsre Landsleute haben wenigstens noch in ihrer treuen Liebe zum Alten auch die alten Geschichten wohl bewahrt, und selbst die Kunst, die Geschichte in Sage zu verflüchtigen, ist bei uns noch kürzlich geübt. Keine Stadt ist so neu, daß sie nicht noch ihre Localsagen hätten noch fährt Steenbock in den Altonaer Straßen umher – nur freilich in keiner Kreuzgasse, denn er ist ein böser Geist; aus dem Bocke sitzt ein Kutscher ohne Kopf, und wer das Gefährte sieht, erblindet auf der Stelle.[1]

Die Mährenzeit ist vorbei, aber die Mährchen sind noch übrig, wir haben uns entschlossen, diese zu sammeln. Unser Zweck ist weder ein historischer, noch ein poetischer, obwohl die Sage die Elemente der Geschichte in sich aufnimmt und Poesie in sich trägt für Den, der sie zu finden weiß, ist sie doch selbst weder Geschichte noch Gedicht, sondern ein Erzeugnis des Volkslebens und ein Theil davon. Darum wollen wir sie sammeln; es ist Zeit, die einzelnen Geschichten zu haschen und festzuhalten, die wie die Blätter der Sibylle in unserm Lande hin und her stiegen. Eigentümlich genug


  1. Zum Glück sind davon die Nachtwächter ausgenommen.
Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm, Theodor Mommsen: Schleswig-Holsteinische Sagen. Schwers’sche Buchhandlung, Kiel 1844, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Volksbuch_f%C3%BCr_Schleswig_Holstein_und_Lauenburg_1844_081.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)