Seite:Voll Adolf Oberländer.djvu/7

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hat er doch den Weg zur positiven Wahrheit nicht verlassen. Was er gibt, beruht in allen Fällen und Einzelheiten auf genauen Studien. Diese unterdrücken zwar viel vom berechtigten und wohl auch manchmal vom notwendigen Detail; aber sie sind doch keine blutleeren akademischen Studien, wie sie früher üblich waren und im weiten Umkreis von Oberländers künstlerischen Freunden gemacht wurden. Sie gehen mit klarer Erkenntnis auf das Wesen der Sache und der Situation ein. Sie bilden auch die Basis für seine Zeichnungen, die manchmal so scharf zugeschnitten und stilisiert sind, daß man die Akribie und strenge Gewissenhaftigkeit gar nicht bemerkt, mit der der Künstler die Vorbereitungen zu ihnen getroffen hat.

was ist denn jetzt das?!

Adolf Oberländer: Unerwartete Wirkung.

Die Reproduktionen freilich nach solchen Studien, wie sie dem vorliegenden Aufsatze beigegeben sind, scheinen einem ganz anderen Meister anzugehören. In ihnen steckt nun der wahre Oberländer nicht ganz, aber viel von seiner besten Art. Sein persönliches liebevolles Verhältnis zur Kunst wird in ihnen klar. Es spricht sich in ihnen allerdings auch immer jene Voreingenommenheit – im besten Sinne des Wortes – aus, die man wohl sonst im Leben findet, wenn uns von Freundesseite die Schilderung eines Menschen gegeben wird. Es sind die Freunde ja immer diejenigen, die die wichtigsten Züge zu einem Charakterbilde veröffentlichen; aber sie sind auch gewöhnlich diejenigen, die nicht imstande sind oder die nicht die Lust haben, den ganzen Mann zu schildern. Sie erzählen das, was ihnen aufgefallen ist, was ihnen bemerkenswert oder lieb war, und gestalten mehr oder weniger unbewußt alles nach dieser ihrer persönlichen Auffassung.

So ist Oberländer mit den von ihm gezeichneten Tieren befreundet. Man muß ihn selbst seine Tierstudien kommentieren hören, um diese Art seines künstlerischen Schaffens zu begreifen. Jedes Tier, das er zeichnet, ist nach seinem eigenen Ausdruck ein Porträt, und er weiß den Charakter jedes einzelnen zu entwickeln. Ihm ist der Hund, den er malt, nicht allein der beliebige Vertreter einer zoologischen Spezies, sondern ein bestimmtes Individuum mit besonderen Gewohnheiten und Charaktereigentümlichkeiten. Diese Züge sucht er festzuhalten und läßt bei solchem Bestreben dann vielleicht manches weg, was ein Heutiger

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Karl Voll: Adolf Oberländer. Westermann, Braunschweig 1905, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Voll_Adolf_Oberl%C3%A4nder.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)