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Die Forschung auf dem Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte hat wohl nirgends mit grösseren Schwierigkeiten zu kämpfen, als da, wo es gilt, die geschichtliche Entwicklung der einzelnen Institute in dem Zeitraume zu verfolgen, welcher durch die Volksrechte und die karolingische Reichsgesetzgebung einerseits, durch die Rechtsbücher andererseits begränzt wird. Da fehlt jede Quelle, welche es sich zur Aufgabe gesetzt hätte, die gesammten Rechtsverhältnisse des Volkes oder eines seiner Stämme darzulegen; kaum dass hie und da für einzelne Verhältnisse, für enggezogene Kreise Aufzeichnungen des geltenden Rechts geboten sind; Von der an und für sich dürftigen Gesetzgebung ist nur Weniges und Vereinzeltes erhalten. Der Vorrath von Urkunden lässt sich mit dem, welcher seit dem dreizehnten Jahrhunderte vorliegt, in keiner Weise vergleichen; weniger, weil mit dem Rückschreiten in der Zeit die relative Zahl der erhaltenen sich mindert, sondern vorzüglich auch desshalb, weil ungleich weniger Urkunden ausgestellt wurden, viele Vorgänge, für welche uns in späterer Zeit Beurkundungen in Menge vorliegen, überhaupt nicht schriftlich bezeugt wurden, wodurch nicht allein ein geringerer Umfang, sondern auch ein viel einförmigeres Gepräge des ganzen Vorraths bedingt ist. Und bieten uns die Geschichtschreiber die verhältnissmässig reichste Quelle, so ermangeln gerade ihre Angaben, sei es wegen Unkenntniss, sei es wegen fehlenden Interesses, nur zu oft der Schärfe und Genauigkeit, welche wir da, wo es sich um die Feststellung rechtlicher Verhältnisse handelt, nicht wohl entbehren können.

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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_005.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)