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Die andern bedecken sie wenigstens mit einer Decke, die den Zweck hat, die Wärme des Tandurs festzuhalten.

Diese Art der Heizung, die das Zimmer selbst kalt läßt und die untern Extremitäten des Körpers zu sehr erhitzt, wird mit recht als ungesund bezeichnet. Aber da sie allgemein ist, wird wohl so bald noch nicht an einen andern Heizungsmodus gedacht werden können. Um die kältern Luftzüge zu verhindern, bringt man die Thüre nicht in derselben Richtung mit dem Tandur an, sondern in irgend einer Ecke des Zimmers.

Es muß jetzt noch von dem Brennmaterial gesprochen werden. In ganz Armenien und Persien giebt es wenig Holz; man ersetzt es durch die berühmten Brennkuchen.

Eine Hauptbeschäftigung der Frauen auf dem Lande besteht darin, sorgfältig den Viehdünger zu sammeln. Dieser Dünger wird künstlich mit der Hand geknetet und mit den kleinen Strohhalmen, den Überbleibseln beim Dreschen, vermischt. Der auf diese Weise entstandene Kuchen wird dann getrocknet, wobei er die Eindrücke der Finger, die daran gearbeitet haben, gewöhnlich behält. Die trockenen Kuchen werden in große Haufen zusammengesetzt; ist dies geschehen, so wird die Außenfläche des Haufens mit derselben Masse überzogen, wahrscheinlich um das Eindringen von Regen zu verhindern. So hat man den Brennstoff für den ganzen Winter fertig.[1]

Mehr als eine Europäerin, ja auch mehr als ein Europäer würde sich bedanken, von dem Brot zu essen, das in einem Ofen gebacken wurde, der mit solchem Material geheizt worden ist. Aber man beruhige sich! Diese Kuchen sind ein ganz vortreffliches Brennmaterial. Nach einem raschen Aufflackern, während dessen ein delikater Geruch vielleicht etwas lästig werden kann, bleibt eine glühende Masse zurück, die langsam, ohne Flamme brennt und eine große Hitze entwickelt, ohne jedoch eine Spur von Duft zurückzulassen.

Das Brot, das in diesen Backöfen hergestellt wird, heißt in der chaldäischen Sprache „Lawasch“. Es ist übrigens das Nationalbrot der Perser. Meist hat es die Form dünner Kuchen. Um es zu bereiten, breitet die Bäckerin – jede Hausfrau ist Bäckerin – den Teig mit einer Rolle aus. Dann bearbeitet sie den Teig abwechselnd mit ihren Armen. Jedesmal dehnt sich der Kuchen aus, und wenn er die gewünschte Form erreicht hat, kommt er auf ein Brett, das mit einem Griff versehen ist. Dieses Brett ist rund und entspricht der Form des Backofens. Mit diesem Brett klatscht eine andere Frau, die zum Backen bestimmt ist, kräftig den Kuchen gegen die heiße Wand des Tandurs. Das Backen geschieht schnell, ist aber gewöhnlich nicht ganz vollendet.

Dieses frische, knusperige Brot schmeckt ausgezeichnet und hält sich mehrere Tage. Bei der Mahlzeit feuchten die Perser dasselbe stark an, um es geschmeidiger zu machen; diese Kuchen erfüllen dann alle möglichen Dienste: zusammengerollt dienen sie als Löffel und um Sauce zu nehmen, ausgebreitet werden sie als Teller gebraucht, sogar die Stelle von Servietten müssen sie vertreten. Aber das so angefeuchtete Brot verliert von seinem Geschmack und wird schwer.

  1. Der Leser findet die Abbildung eines solchen Haufens bei der Illustration: Unser Palais von Khatibliba.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/109&oldid=- (Version vom 1.8.2018)