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Gewöhnlich ist das Brot sehr schwach gesalzen, wiewohl das Salz in der dortigen Gegend sehr häufig vorkommt. Die Schwestern graben das ihrige aus dem Berge, den wir zwischen Choï und Mosrawa gesehen hatten. Es ist dunkel, grün von Farbe und sehr fest und wird in rohem Zustande gebraucht. Zunächst werden die Salzblöcke in einem ausgehöhlten Stein mit großen hölzernen Hämmern klein geschlagen, worauf die kleineren Stücke gemahlen werden.

Die Mühle, die zu diesem Zwecke gebraucht wird, ist im ganzen Orient, ja bis nach Indien hin auf dieselbe Weise eingerichtet. Ein Stein A ist in dem Boden befestigt und trägt eine senkrechte Achse C. Der eigentliche Mühlstein B ist in seiner Mitte durch ein kreisrundes Loch durchbohrt, das einen Durchmesser von acht bis zehn Centimetern hat. Zwei sich gegenüberstehende Frauen drehen den Mühlstein mittels eines hölzernen Griffes D, der ungefähr in zwei Dritteln des Halbmessers nach dem Umfange zu schief angebracht ist.

Orientalische Mahlmühle.

Da die kreisförmige Öffnung in dem Mühlstein ziemlich groß ist, so geht die Umdrehung desselben etwas excentrisch vor sich, wodurch die Reibung vergrößert und ein sehr feines Salz erzielt wird.

Für Hyvernat besaß Khosrawa noch einen anderen interessanten Gegenstand, nämlich den Kirchhof. Dieser ist verhältnismäßig alt, und seine Grabinschriften in chaldäischer Sprache sind für Sprachforscher von großem Interesse. Die Gräber sind gewöhnlich sehr einfach. Die Mehrzahl haben nur einfache Steine, die wenig bearbeitet sind; einige Grabsteine haben in rohen Umrissen die Gestalt eines Widders.[1] Außer an den Jahrgedächtnissen für die Verstorbenen sind die Gräber ziemlich vernachlässigt.

Khosrawa ist der Sitz eines chaldäischen Erzbischofs, dessen Jurisdiktion sich über eine dünngesäete Bevölkerung erstreckt. Der Erzbischof Augustin Bar-Schino ist ein Einheimischer und hat seine Studien in der Propaganda in Rom gemacht. Heute ist er ein steinalter Mann. Wir fanden ihn auf einem hölzernen Bette in dem Vorhofe seiner Wohnung liegend, die ein kleines Haus aus Stampferde ist, das dazu ein ärmliches Aussehen hat. Die Unterhaltung mit ihm war kurz, da sie ihn sichtlich viele Anstrengungen kostete.

  1. Dieser Gebrauch, einen Widder auf das Grab zu setzen, rührt von einem alten Aberglauben her, den die Priester im Andenken an die Opfer des Alten Testamentes duldeten, der aber nichts weiter ist als ein Rest des Heidentums und der alten Liebesmahle. Die Eltern schlachten, nachdem der Tote begraben ist, auf dem Grabe einen Widder, der in der Familie verzehrt wird, wobei sie aber nicht versäumen, dem Priester, der den Toten zur letzten Ruhe begleitet hat, einen Teil davon zu schicken.“ (Texier, Arménie I. 63.) Gegenwärtig ist der Gebrauch unter den Katholiken in der Gegend von Urmia und Khosrawa aber verschwunden.
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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/110&oldid=- (Version vom 1.8.2018)