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eine schönere Farbe zu geben. Diese läßt man längere Zeit mit der Asche von Weinreben oder gewissen Bergkräutern in Wasser kochen; die dadurch entstehende gelbe Flüssigkeit läßt man sich klären und gießt sie dann in einen neuen Kessel, wo sie ein zweites Mal zum Kochen erhitzt wird. In diese kochende Lösung taucht man nun die Trauben zum zweiten Mal aber nur einen Augenblick und breitet sie dann dünn aus, um sie an der Sonne zu trocknen. Dabei trägt man Sorge, daß alle ein gleiches Aussehen bekommen und bedeckt sie schließlich mit einer Mischung aus Erde und klein gehacktem Stroh.

Der Wein von Urmia ist wirklich vortrefflich; am meisten findet sich der weiße. Unglücklicherweise hält es sehr schwer, Wein zu bekommen, der älter als ein Jahr ist. Als Grund dafür geben die Eingeborenen zunächst die unzureichende Menge Wein an, die gezogen wird, dann aber auch die Schwierigkeiten, die sich dem Aufbewahren des Weines während der heißen Monate in den Häusern ohne Keller bieten. Diese Gründe haben zwar einige Berechtigung; aber der Hauptgrund liegt in dem unersättlichen Durste der Einwohner, die ohne Maß trinken, so lange der Vorrat eben reicht. Ist dieser aber endlich zur Neige gegangen, so trinken sie Branntwein, um „das durch die Bewässerung ungesund gewordene Wasser“ nicht trinken zu müssen. Dieser Branntwein ist ein ausgezeichnetes Getränk bei 35 Grad Wärme im Schatten!

Der allgemeine Gebrauch der Brennkuchen fügt selbstverständlich der Landwirtschaft durch das Entziehen des Düngers großen Nachteil zu; in der Umgebung der Städte sucht man sich durch den Gebrauch von Kompost, der aus verfaulten Pflanzen besteht, zu helfen. Diese werden sorgfältig gesammelt und dann mit Erde gemischt; nach zwei Jahren wird der Kompost dann in die Gärten gebracht. Ebenso wird die Asche als Düngmittel verwandt.

Ungeachtet aller seiner Reichtümer ist das Land dennoch arm.

Die erste Ursache dieses erbärmlichen Zustandes liegt in der Nachlässigkeit der Regierung, und dieses Laster selbst hat seinen Ursprung in den Grundlehren des Islams.

In alten Zeiten war Persien bevölkerter und auch fruchtbarer. Aber der jungfräuliche Boden ist in diesen Gegenden verschwunden; die jetzige Fruchtbarkeit ist nur ein durch den menschlichen Fleiß aufgehäufter Schatz. Eine Reihe von unglücklichen Kriegen und noch mehr eine Aufeinanderfolge schlechter Fürsten genügt, um ein Land zu entvölkern; in Persien wäre eine Entvölkerung aber gleichbedeutend mit einem Unfruchtbarwerden des Landes. Der europäische Einfluß auf die persische Regierung erstreckt sich nur auf oberflächliche Dinge, dringt aber nicht ein in die Lebensteile des gesamten Organismus, so daß alles nach der alten Manier gehandhabt wird.

Die Erhebung der Steuern geschieht durch gewissenlose Pächter. Die Steuereinnehmer werden gewöhnlich, namentlich in Kurdistan, von Soldaten des Schah begleitet. Diese quartieren sich in einem Dorfe ein und erheben dann, gleichsam als Kosten für Eintreibung der Steuern, die großartigsten Ansprüche. Dann beginnen nicht endenwollende Unterhandlungen. Während dieser Zeit erlauben sich die Steuereinnehmer und ihre Begleitung die willkürlichsten Handlungen und verzehren den Vorrat der armen Leute, die schließlich, um die Bande los zu werden, mehr bezahlen, als sie eigentlich verpflichtet sind.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/116&oldid=- (Version vom 1.8.2018)