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sehr erfinderisch und mit großer Überlegung angebracht ist. Während elegante Decken das erwähnte Flechtwerk verdecken, finden sich diese plumpen Thüren in den schönsten Häusern; man kann kühn sagen, daß sie allgemein im Gebrauch sind.

Die Einrichtung der Fenster ist sehr einfach; viereckige Stücke Papier, das mit Öl gedrängt ist, ersetzen überall die Scheiben.

Was das Mobiliar betrifft, so ist es sehr einfach; der ganze Luxus besteht aus Teppichen. In den Empfangssälen befindet sich an der Wand eine einfache Bank, die ungefähr fünfzehn bis fünfundzwanzig Centimeter höher ist als der Boden. Diese ziemlich breite Bank ist mit Kissen und prächtigen Teppichen bedeckt. Die Perser haben die Gewohnheit, an der Thüre stets ihre Fußbekleidung abzulegen; auf diesen Sitzen kauern sie mit gekreuzten Beinen und bringen den größten Teil des Tages dort zu. Die Gewohnheit, die Schuhe an der Thüre auszuziehen, ermöglicht es, die Teppiche lange Zeit zu erhalten; so sahen wir z. B. in einem Hause einen Teppich aus Chorassan, der zweihundert Jahre alt war. Es schien, als ob mit der Zeit die Farben desselben nur noch schöner geworden wären. Die Wände sind nur gekälkt und haben als Schmuck nur eine Art von viereckigen Nischen aufzuweisen. Die „modernen“ Häuser fügen noch dazu als Zierde schreckliche Bilder in der Art unserer bekannten bunten Bilderbogen. Die Rauchtische und Kaffeeservicen sind dagegen durchweg elegant.

Vom Reisen ist der Perser im allgemeinen kein Freund; und nur aus geschäftlichen oder religiösen Rücksichten unternimmt er zuweilen eine Reise. Von Vergnügungsreisen, ja sogar von einem einfachen Spaziergang hat die Mehrheit des Volkes gar keine Vorstellung. In den bessern Kreisen bringen die Reisen des Schah eine andere Anschauung in diesem Punkte hervor, doch wahrscheinlich ohne besondern Nutzen; denn die Perser suchen durch ihren Aufenthalt in Europa gewöhnlich nichts weiter, als ihren angeborenen Lastern noch neue üble Gewohnheiten hinzuzufügen; gute Erfahrungen aber bringen sie gewöhnlich von einer solchen Reise nicht mit.

Früher war das Reisen in Persien bedeutend erleichtert durch das Netz der Karawanen und Khane, die Persien bedeckten. Diese Khane waren oft großartige Gebäude (zum Übernachten), die entweder der Schah oder Privatleute errichten ließen und die durch Stiftungen unterhalten wurden. Heute ist von diesen Einrichtungen kaum mehr eine Spur zu sehen.

Der Perser reist gewöhnlich zu Pferde, deren man recht gute in Persien findet. Die Pferde der Karawanen dagegen sind gewöhnlich schlechte Gänger. Die Perser lassen sie zu viel und auch zu früh arbeiten. Maultiere und Esel sind auch sehr verbreitet; ein eigentümlicher Gebrauch der Perser besteht darin, diesen Tieren die Nüstern zu spalten, um das Atmen zu erleichtern. Eines der gewöhnlichsten Rachestücke, die sich ein Perser erlaubt, besteht darin, dem Esel seines Feindes die Ohren abzuschneiden. Nach der Zahl der ohrlosen Esel zu schließen, die wir sahen, muß man annehmen, daß der Perser sehr zur Rache neigt.

Die Beförderung der Waren geschieht lediglich durch Kamele, und auch die Frauen benutzen dieses Transportmittel bei etwaigen Reisen. Da diese nach den religiösen Vorschriften in der strengsten Zurückgezogenheit reisen müssen, so schließt man sie dabei in eine Art Nische ein, die Kadschawas genannt werden. Ein jedes Kamel trägt zwei solcher Nischen, die sich gegenseitig das Gleichgewicht halten.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)