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dieselbe Summe, die hauptsächlich dazu bestimmt ist, den einheimischen Klerus zu unterhalten.

Khosrawa mit allen seinen Anstalten empfängt auch jährlich 15000 Francs. Diese Summen, zu denen ab und zu irgend ein freiwilliges Almosen eines hochherzigen Menschen kommt, sind im Vergleich zu den Summen, welche die amerikanische Mission verschlingt, unbedeutend zu nennen. Die Bankiers von Tebris bezahlen jährlich an diese Mission hunderttausend und, wie man uns erzählte, auch wohl 150000 Francs.

Ungeachtet dieser ungleichen Verteilung der Hilfsmittel, und obwohl die amerikanische Mission einen viel vornehmern Anstrich als die der Lazaristen hat und ihre Mittel größer sind, konnten die Amerikaner 1890 doch nur 2127 Kommunikanten aufweisen.

Die katholische Bevölkerung der Lazaristenmission in Urmia und Mosrawa beträgt 8974 Seelen. Diese Bevölkerung besteht zum großen Teile aus den zur katholischen Kirche zurückgekehrten Nestorianern. Die nestorianischen Priester sind im allgemeinen sehr unwissend und fallen, wenn sie sich bekehren, gewöhnlich der Mission zur Last, da sie zu einem ordentlichen Dienste unfähig sind.

Dank ihrer Isolierung und ihrer Hierarchie, und man möchte auch sagen, Dank ihrer Unwissenheit, die sie instinktiv und ohne Unterscheidung alles von ihren Vorfahren Überkommene festhalten ließ, haben sie ihren Glauben unversehrt erhalten bis auf die Punkte, die sie von der katholischen Kirche trennen. Ihre Unwissenheit ist staunenerregend.

Nicht ein einziger Nestorianer, selbst ihr Patriarch nicht, besaß im Jahre 1830 eine vollständige Bibel. Sie wären früher schon leicht zur katholischen Kirche zurückgekehrt, wenn die Frage um das erbliche Patriarchat nicht bestände, das Rom aber durchaus nicht zugestehen kann.

Heute wird, je weiter man geht, das Werk der Katholiken unter den Nestorianern immer schwieriger. Perkins’ Thätigkeit hat Spuren hinterlassen. Die von ihm bis zum Übermaß verbreiteten Verleumdungen haben viel Vorurteile und Haß erzeugt.

Zudem bietet das Vorhandensein der zwei Missionen, der katholischen und der protestantischen, eine schwierige Probe für die Charaktere. Außerdem, daß die amerikanische Mission in Betreff des Glaubens volle Freiheit läßt, ja sogar den Unglauben begünstigt, gewinnt sie auch die Nestorianer leichter dadurch, daß sie ihnen materielle Vorteile bietet und sie veranlaßt, ihre Lebensweise nach den erhofften Vorteilen einzurichten. Die darauf spekulieren brauchen an der Pforte der Lazaristen nicht anzuklopfen, bei denen überhaupt das Geld rar ist und Ausgaben nur für die wichtigsten Sachen gemacht werden können.

Trotzdem die Lazaristen ein armseliges leben führen, da sie kein Gehalt beziehen und ihre Einrichtungen so armselig sind, so haben doch die europäischen Traditionen eine Ordnung, eine Organisation, eine bis ins Kleinste gehende Sorge in der Mission eingeführt, die sie über alle andere Einrichtungen im Lande weit hervorhebt. Darin liegt aber auch zugleich eine unabwendbare Gefahr; nämlich die Gefahr der Eifersucht und auch die der Einbildung, daß hinter den Mauern der Mission große Reichtümer aufgespeichert liegen müssen.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)