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Nachdem wir die Missionen besucht hatten, blieb uns noch übrig, unsere Kenntnis des Landes zu vervollkommnen; bei unserer knapp bemessenen Zeit war das Einfachste, einen Ausflug zu veranstalten, der uns einen Blick über das gesamte Gebiet von Urmia gestattete. Als Ziel dieses Ausfluges kam naturgemäß der Bisau-Dagh (Kalbsberg) zunächst in Betracht.

28. September.

Etwas nach sieben Uhr des Morgens brachen wir auf. Der genannte Berg oder um der Wahrheit die Ehre zu geben, dieser felsige Hügel, erhebt sich isoliert am Rand der Ebene, an dem Ufer des Sees, den er um ungefähr hundert Meter überragt.

Von Urmia aus ist zu Pferde in ungefähr zwei Stunden ein kesselförmiges Thal, von Felsen eingeschlossen, zu erreichen, das ungefähr im halben Abhang des Berges liegt. Dort entspringt eine kleine Quelle, die von einem Busch wirklicher Bäume beschattet wird, die freilich hier von Gottes Gnaden wachsen, nicht durch die Fürsorge der Menschen. Man muß in jenen Ländern gewesen sein, um die Poesie eines ästigen Baumes und den Zauber eines grünen Domes überhaupt verstehen zu lernen.

Während wir die Sache betrachteten, langte eine stattliche Schar Reiter an. Es war der Paraschbachi, der erste Diener oder Hausmeister des Gouverneurs. Dieser ist eine wichtige Persönlichkeit, weshalb ungefähr zwanzig Reiter ihn begleiteten. Der Paraschbachi machte eine Vergnügungs-Pilgerreise zu einem noch höher gelegenen Felsen, der das rechte Ufer des Baches beherrscht.

Dieser Felsen ist heilig, denn Ali ließ daselbst den Eindruck seiner Hand zurück. Deshalb kommen die Schiiten häufig hierher, um diesen heiligen Ort zu verehren. Auch behauptet man, daß sich mehrere legenden von Zend-Avesta an diesen Berg knüpfen.

Wir unterließen den Besuch des heiligen Ortes, um den Gipfel des Bisau-Dagh zu ersteigen, was nicht ohne Schwierigkeiten geschah.

Die Aussicht daselbst ist wunderbar schön. Von einer Seite scheint die Sonne auf die metallisch-glänzende Oberfläche des Wassers; von der andern Seite macht die Ebene von Urmia den Eindruck eines orientalischen Teppiches, wo die Oase von Bäumen, die Weinstöcke, die bebauten und die brachliegenden Felder und die Sandhaufen Zeichnungen bilden, deren Töne in einer merkwürdigen Harmonie mit einander stehen. Dazu kommen noch die im Westen die Ebene abschließenden Berge von Kurdistan mit ihren scharfen Einschnitten und bläulichen Reflexen.

Von der Höhe des Berges war es uns möglich, verschiedene Irrtümer in der Kiepertschen Karte bemerken zu können.

Zurückgekehrt zur Quelle, fanden wir die muselmännische Gesellschaft im Begriff zu speisen. In liebenswürdiger Weise boten sie uns von ihrem Thee an, wodurch eine längere Unterhaltung hervorgerufen wurde. Unsere Instrumente, (Barometer Fernrohre etc.) reizten die Neugierde sehr und waren oft der Gegenstand sehr bizarrer Bemerkungen.

Anstatt auf geradem Wege nach Urmia zurückzukehren, machten wir einen längern Umweg, um eine alte Kirche zu besichtigen, die den Namen der Apostelfürsten Petrus und Paulus trägt, die aber im Grunde genommen nichts Interessantes bot.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)