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4. Oktober. Abreise 6½ Uhr des Morgens.

Unsere Reise fing damit an, daß unsere Pferde stürzten, wobei sie beinahe tot geblieben wären. Darauf gab es ein Auf- und Absteigen, während wir meistens zu Fuß reisten. Wir gingen nämlich in nördlicher Richtung, während der Nehil-Tschaï nach Osten fließt, um sich mit dem Zab zu vereinigen, wobei er unzugängliche Schluchten passiert. Wir verließen darum das Thal des Nehil-Tschaï, um auf dem kürzesten Wege zu der Höhe zu gelangen. Gegen elf Uhr überschritten wir einen Zufluß des Zab, der von Bergen malerisch eingeengt und mit Bäumen eingefaßt ist. Aus Furcht vor Briganten wollten unsere Zabtiehs sich hier nicht aufhalten. Nach längerem Steigen kamen wir auf eine große Hochebene. Obgleich es bereits Anfang Oktober war, hatten die Leute kaum mit der Ernte begonnen, weil die Früchte wegen der hohen Lage erst so spät reifen. Nach den Erzählungen unserer Zabtiehs soll dort kurz vorher zwischen den Briganten und den Einwohnern des benachbarten Dorfes ein blutiger Kampf stattgefunden haben.

Kurdischer Pflug.

Endlich stiegen wir abwärts in ein Thal, wo wir unterhalb des Dorfes Bovis bei einer Quelle Halt machten. Es war ungefähr zwei Uhr des Nachmittags, und der Hunger machte sich bei uns sehr fühlbar.

Bovis liegt nur eine halbe Stunde vom großen Zab entfernt. Wir fanden dort von neuem, daß das Land überall das Gepräge der Hochebene trägt; stromaufwärts, also nördlich von Bovis, trägt das Land die Bezeichnung Albag; das Thal ist breit; die Höhen, die es einfassen, gleichen mehr mäßig hohen Hügeln als Bergen. Langsam durchfließt der Zab[1] das Thal, indem er merkwürdige Krümmungen

  1. Der große Zab hat seine Quelle im Albag unter dem 38. Grad nördl. Breite in einer Höhe von 2286 Metern (Ritters Erdkunde IX. 641). Nach unsern Berechnungen ist die Höhe um 200-300 Meter zu gering angegeben. Fünfzig Kilometer unterhalb Mosul vereinigt er sich mit dem Tigris, genau auf dem 36. Breitegrad in einer Höhe von ungefähr 150 Metern über dem Meere. Seine Hauptrichtung ist die von Norden nach Süden. Indessen ist sein Lauf viel länger, als man nach den hier gemachten Angaben annehmen soll. Wenn man die Länge des Laufes auf 450 Kilometer annimmt, bleibt man wohl noch hinter der Wirklichkeit zurück. Eine Länge von 450 Kilometern angenommen, ergäbe doch noch immerhin ein Gefälle von 4,77 Metern auf das Kilometer. Alle diese Angaben sind indes, wie nochmals betont werden muß, nur annähernd richtig; denn erstens hält es schwer, diese Gegenden zu besuchen, dann aber ist es noch schwieriger, daselbst topographische Aufnahmen zu machen. Die Bewohner jener Gegenden sehen in solchen Operationen entweder Hexereien oder Spionage. In diesen beiden Fällen würden die Kurden zu einem Entschluß kommen, dessen Ergebnis das wäre, den Spion oder den Hexenmeister bei Seite zu schaffen.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)