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Bei dem Abstieg in das Thal von Coschab ist der Anblick der Berge sehr schön, während das Thal selbst nichts Pittoreskes bietet.

Bei einer Biegung des Weges sahen wir plötzlich auf einem unzugänglichen Felsen die Festung Mahmudiysch vor uns. Sie besteht aus den sehr großen Ruinen eines Schlosses, das prachtvoll gewesen sein muß. Von der Höhe des Felsen ähnelt die Festung einem Adlernest, aber sie beherrscht das Thal und sperrt es völlig ab. Als Ruine fällt sie durch ihre pittoreske Wildheit auf, die sich selten so findet.[1]

Ankunft 5½ Uhr nachmittags.

Die späte Ankunft und die trüben Erfahrungen von Baschkala verhinderten mich, eine photographische Aufnahme zu machen.

Die Stadt liegt zu beiden Seiten des Coschab (zu deutsch: gutes Wasser), die durch eine schöne Brücke mit einander verbunden sind. Die ganz aus Mohammedanern bestehende Bevölkerung ist sehr fanatisch und zeigte keine Spur von Zuvorkommenheit. Nicht einmal ein Nachtlager wollte man uns geben. Da gewahrten wir endlich ein ganz neues Haus, das noch unbewohnt war; ohne jedwede Zeremonie quartierten wir uns daselbst ein, indem wir die zahlreichen Öffnungen, so gut es ging, verstopften. Auch hinsichtlich der Lebensmittel hatten wir Schwierigkeiten zu bestehen. Glücklicherweise hatte Gegu noch einige Hülsenfrüchte und etwas rohes Fleisch. Auch fand er grundschlechtes Brennmaterial, wovon man ihm allerdings auch noch die nötige Menge verweigert hatte, nämlich eine Art dornige, verkümmerte Pflanze. Mit Aufbietung vieler Geduld kam er dann endlich dazu, uns à la russe ein Bordj (eine Kohlsuppe) zu kochen, die uns trefflich mundete.

Mahmudiysch oder Coschab war lange Zeit der Sitz eines mächtigen Emirs, der es verstand, seine Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten, indem er sich je nach den Umständen entweder den Türken oder den Persern anschloß. Diese Emire gaben sich für Nachfolger der Ommyaden aus. Der Begründer der Dynastie, Scheck Mahmud, hatte vom Man „Schwarzer Hammel“ als Belohnung für seine Tapferkeit die Belehnung mit diesen Ländern erhalten. Er ließ sich in Coschab nieder, und sein Volk erhielt den Namen Mahmuden. Die Mahmuden waren ursprünglich Uesiden, traten aber unter Hassan-Beg, ihrem neunten Emir, zum Islam über.

7. Oktober. Abreise 5½ Uhr des Morgens.

Wir hatten unseren Tscherwadaren die Knute versprochen, wenn sie nicht um vier Uhr reisefertig wären. Infolge dieser Vorsichtsmaßregel konnten wir schon um 5½ Uhr abreisen. Unser Führer legte eine schreckliche Furcht vor den Briganten an den Tag.

Ungefähr zwei Stunden lang bleibt der Weg auf dem linken Ufer des Coschab; zwei felsige Ausläufer versperren alsdann das Thal, indem sie nur eine enge Schlucht lassen, durch die der Fluß zieht. Diesen Punkt hat man benützt, um über

den Coschab eine Brücke zu bauen, die nur aus einem einzigen Bogen besteht und infolgedessen nicht besonders fest zu sein scheint. Nachdem die Brücke, die in einem sehr schlechten Zustande ist, einmal hinter uns lag, mußten wir wieder tüchtig klettern, um den einen Ausläufer zu umgehen. Unterhalb der Schlucht erweitert

  1. Binder giebt davon eine ausgezeichnete Photographie Seite 127.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)