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mit den üblichen Entschuldigungen wieder in Freiheit zu setzen, würde der Polizeichef das alte türkische Manöver anwenden, nämlich seine Hände in Unschuld zu waschen und zu sagen, er sei nicht richtig verstanden, und seine Ordres seien überschritten worden, und zum Beweis dafür wolle er den Gendarmen eine empfindliche Strafe erteilen. Dies wissen die Gendarmen auch ganz gut, und darum zögerten sie auch und warteten das Resultat der Appellation an den russischen Konsul ab.

Das Ergebnis dieser Appellation ließ nicht lange auf sich warten; nach kaum zwanzig Minuten erschien im gestreckten Galopp der gefürchtete Hadschik, der Kawaß des Konsuls. Mit der Knute in der Hand befahl er den Gendarmen, zu verschwinden; wie Lämmer gehorchten sie, indem sie sich in eine respektable Entfernung zurückzogen. Aber ihre Achtung verwandelte sich in demütige Unterwerfung, als wir nach einigen Schritten dem Konsul selbst begegneten. Er saß im Wagen mit seiner Frau und deren Vater, Michel Kowadenski. Kolubakin ließ Hyvernat in den Wagen steigen. Sein Schwiegervater nahm das Pferd Hyvernats, und so hielten wir mit großem Pomp unsern Einzug in Wan. Der Wagen fuhr direkt zum Konsulat. In der Begleitung Kowadenskis brachte ich sofort unser Gepäck zu den Missionaren und begab mich dann mit Vater Duplan zu Fuß in die Wohnung Kolubakins.

Um das Haus des Konsuls zu erreichen, mußten wir an einem Posten vorbei, wo sich gerade der Tabur-Agafsi (der Polizeichef) befand. Er ließ uns durch einen Beamten rufen. Teils durch Einschüchterung, teils durch Überredung suchte er uns zum Eintritt in den Posten zu veranlassen, indem er vorgab, mit uns reden zu wollen. Die List war indes zu grob, um uns auf diese Weise in die Höhle des Löwen zu locken. Pater Duplan ließ ihm antworten, daß, wenn er mit uns amtlich zu verhandeln habe, nicht ein solcher Posten, eine Schenke nämlich, der geeignete Ort dafür sei, sondern der Konak, wo die Frage erledigt werden könnte. Wolle er uns aber aus Höflichkeit grüßen, so sei der Ort weder seiner noch unser würdig. Als der Offizier noch auf seiner Forderung beharrte, trat Kowadenski mit einem befehlenden Tone dazwischen und geleitete uns zum Konsulat. Die Polizisten folgten uns, so daß der Konsul genötigt war, sie vor die Thüre setzen zu lassen.

Scheik Hamid.

Es schien, als ob unsere Anwesenheit die Türken sehr beunruhigte, die von der Manie befallen sind, in jedem Reisenden einen Spion zu erblicken. Wir sind geistlich; und das letzte Schreiben des Papstes an die Armenier hatte in dem Lande große Aufregung hervorgerufen; vielleicht glaubte man auch noch, daß wir in Beziehung zu diesem Schreiben standen. Wir hatten Kascha Isaak bei uns, der ein Chaldäer ist, und der Wali hatte durch häßliche Manöver, die er als Mitschuldiger der Kurden unternommen hatte, damals mit den Christen des Hakkiari manchen Strauß auszufechten. Dazu kam noch, daß wir unter der Führung eines Beamten der Regie gekommen waren, der zu gleicher Zeit in dem Dienste Scheik Hamids war, eines der angesehensten Männer des Landes, und Scheik Hamid war, was wir aber damals noch nicht wußten, ein Todfeind des Walis. Es ist also leicht erklärlich, daß wir im höchsten Grade verdächtig waren.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/152&oldid=- (Version vom 1.8.2018)