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10. Oktober.

Da wir eine Haussuchung befürchten mußten, gab ich an demselben Abend mein Tagebuch und noch sonstige Papiere dem russischen Konsul in Verwahr.

Als immer noch keine Nachricht von Konstantinopel angelangt war, mußte uns der russische Konsnl das Ende seines Schutzes ankündigen, obwohl er gehört hatte, daß sein Gesandter bereit sei, zu unseren Gunsten einzutreten. Infolge dessen stellten wir uns dem Mektubdschi, dem Stellvertreter des Gouverneurs vor, als der Gouverneur gerade abwesend war. Er war gezwungen zu konstatieren, daß unsere Papiere vollständig in Ordnung waren.

11. Oktober.

Die nächste Depesche des französischen Gesandten erwähnte kein Wort von dem russischen Schutz, kündigte uns wohl die Absendung „ernstlicher Befehle“ von Konstantinopel aus an, woran wir indes nicht glaubten. Doch mußte der Mektubdschi irgend welche, wenn auch unbestimmte Weisungen erhalten haben, denn sonst würde er uns sicherlich nicht so höflich empfangen haben nach der unverschämten Depesche des Walis, da er uns doch früher hatte verhaften wollen.

12. Oktober.

Tags darauf war der Geburtstag des Schahs von Persien, weshalb wir mit den Patres zu dem persischen Konsul gingen, um ihm bei dieser Gelegenheit unsere Aufwartung zu machen. Der Konsul war mit einer voll buntem Flitter bedeckten Uniform bekleidet; er scheint sehr überzeugt zu sein von seiner Wichtigkeit und an einer unheilbaren Eitelkeit zu leiden. Er befand sich im Zustande des zurückgehaltenen Zornes, weil der Mektubdschi die Unverschämtheit gehabt hat, bei diesem Feste bei ihm vorzusprechen, ohne mit der Uniform bekleidet zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, heißt der Konsul Mahmud Khan; übrigens sprach er ziemlich gut französisch.

Der russische und der englische Konsul hatten die Liebenswürdigkeit, uns Einladungen zu dem großen offiziellen Diner zu verschaffen, das des Abends auf dem persischen Konsulat stattfand. Ihr Zweck dabei war hauptsächlich der, unser Ansehen in Wan zu erhöhen.

Wir benützten die ersten Stunden des Nachmittags, um Toprak-Kala (zu deutsch: Staubschloß) zu besuchen.[1] Toprak-Kala ist eine alte Festung, die von den armenischen Königen zur Zeit ihrer Kämpfe mit den Assyrern errichtet wurde; sie beherrscht ein felsiges Plateau im Osten der Stadt. Nach assyrischem Gebrauche hatte man ungebrannte Ziegelsteine für die inneren Seiten der Mauer verwandt.

Der Einfluß der Zeit und des Regens haben diese Ziegelsteine aufgeweicht; nach und nach fällt alles zusammen. Die Ruinen von Toprak-Kala wie alle der alten Paläste der Thäler des Tigris und des Euphrat bilden nur mehr einen regelrechten Erdhaufen, wo nur ein geübtes Auge die Anwesenheit eines alten Baudenkmals erspähen kann. Hier wurden durch Chantre und Barry Ausgrabungen veranstaltet,

  1. Toprak-Kala ist auf einem Ausläufer des Zemzem-Dagh erbaut. Auf einem der Wege dahin befindet sich die berühmte Inschrift des Agh-Keuprü.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/157&oldid=- (Version vom 1.8.2018)