Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/163

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

russischen Konsul die Bitte um Schutz. So verhielt es sich mit der Sicherheit, deren wir uns erfreuten. Wir verstanden nun auch die Worte des französischen Gesandten, der auf die Reklamation Hyvernats folgendermaßen antwortete: „Ich kann gar nicht erklären, wie sehr Ihre Sicherheit bedroht ist; geben Sie telegraphisch Aufklärung!“ Als ob bei dieser scharfen Beobachtung, der wir unablässig ausgesetzt waren, Hyvernat genaue Einzelheiten angeben könnte, ohne fürchten zu müssen, daß seine Depesche verstümmelt oder unterschlagen würde, und daß durch seine Angabe sofort eine Menge lügnerischer Gegenberichte von seiten der Türken hervorgerufen würde, und als ob ein Gesandter das Recht hätte, einen von seiner Regierung beauftragten Reisenden ohne Schutz zu lassen, der ihn zum vierten Male versichert, daß seine Sicherheit bedroht ist, was der Gesandte aber auch selbst weiß!

Wir verbrachten einen angenehmen Abend bei Scherifoff, dem Stellvertreter des russischen Konsuls; er ist ein mohammedanischer Kaukasier, aber nach europäischer Art erzogen. Er ist jung, tapfer, großmütig, von aufbrausendem Charakter, ein glühender Anhänger Rußlands; durch sein Wohlverhalten zeichnete er sich in Turkestan aus, wohin er mit dem Auftrage geschickt worden war, die Sklaverei zu unterdrücken. Zum Lohn verlieh ihm der Kaiser den Orden des heiligen Wladimir. Scherifoff aber erbat sich als Lohn für sein Verhalten nur eine Gunst des Zaren, nämlich eine junge Russin heiraten zu dürfen, die er seit seiner Kindheit liebte. Der Zar erfüllte die Bitte unter der Bedingung, daß die Kinder in der orthodoxen Religion erzogen würden.

Nach dem Diner sahen wir mehre Proben von Tänzen: russische, georgische, armenische und kurdische. Die beiden ersten waren anmutig; der kurdische Tanz besaß durch die in ihm bekundete Wildheit einen gewissen Zauber; dagegen glich der armenische Tanz mehr dem Tanz eines Bären, wobei kein wesentlicher Moment fehlte, weder der graziöse Rhythmus in den Bewegungen noch das Grunzen des Tieres, denn die Begleitung verdiente keinen anderen Namen. Vier oder fünf Tänzer halten sich gegenseitig an der Schulter; die am weitesten von einander entfernt stehenden halten ein Tuch in den Händen. Der ganze Tanz besteht darin, daß die einzelnen Paare nach einander so langsam als möglich von einem Fuße auf den andern fortschreiten ohne irgend welche Figur zu bilden, bloß das Tuch bewegend und dabei grunzend. Die Tänzer selbst scheinen übrigens an diesen sehr wenig ästhetischen Übungen großen Gefallen zu finden.

24. Oktober.

Da Grimaud sich nach den erwähnten Vorsichtsmaßregeln stärker fühlte, erklärte er dem Tabur Agassi, Derwisch Agha, daß er ihn wegen der Beleidigungen verklagen würde.

Das Conto Derwisch Aghas war schon stark belastet; ungeachtet mehrerer Verbrechen, für die er eigentlich gehenkt werden müßte, hatte er sich lediglich dank der Unterstützung des Walis auf seiner Stelle zu behaupten gewußt. Für den Wali war er eine unschätzbare Hilfe, wenn irgend eine schmierige Geschichte zu erledigen war; aber man hatte gut begründete Beschwerden über ihn in Konstantinopel angebracht. Derwisch Agha bekam Furcht bei der Drohung Grimauds; er machte ihm Besuche und suchte sich zu entschuldigen, wobei er freilich so weit ging,

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)