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Was die gegenwärtigen Schwierigkeiten betraf, so schien es, daß das Gepäck von Baschkala unmittelbar hinter der Grenze festgehalten wurde. Es wurde in Baschkala untersucht, trotzdem Nathanael und Iskender Effendi dagegen protestierten und behaupteten, daß das Gepäck erst in Wan untersucht werden dürfe, da es uns gehöre. Alle photographischen Platten waren dem Anscheine nach verloren. Was Nathanael angeht, so hatte er wirklich seinen türkischen Passierschein vorgezeigt, den vierzehn Tage vorher der Mutessarif von Baschkala visiert hatte; er dachte sich aus der Affaire ziehen zu können, indem er seine Beziehungen zum Groß-Vezir erwähnte; aber vom Bureau des Groß-Vezirs bis Baschkala ist ein weiter Weg.

Iskender Effendi war so in Verlegenheit, so daß er es nicht mehr wagte, Nathanael ein Obdach zu gewähren.

2. November.

Am Allerseelentage lasen wir zunächst die hl. Messe und setzten uns dann in Marsch, um den englischen Konsul Russell bis zum Erdscheck zu begleiten. Russell verließ Wan und nahm den Posten bei den Dardanellen ein. Sein Nachfolger, Davy, war vor einigen Tagen angekommen; er befand sich bei der Gesellschaft mit Scherifoff, Michel Kowadenski und Pater Duplan nebst einer Anzahl Notabeln, allen Kawassen und den Dienstboten; das Ganze bildete eine schöne Kavalkade.

Es wurde eine kleine Sumpfjagd veranstaltet, nach der Scherifoff das Frühstück auf denselben Felsen servieren ließ, wo wir bei unserer frühern Partie mit Russell den Imbiß genommen hatten. Dann machten wir uns auf den Weg nach dem Erdschecksee.

Das Frühstück war gut begossen worden, so daß sich bald eine fröhliche Stimmung bemerkbar machte; nach und nach wurde der Gang der Pferde beschleunigt; auf einen gegebenen Moment ging es im Galopp weiter und bald begann eine wahre Hetzjagd. An einem schlammigen Graben angekommen, machte mein Pferd einen schlechten Sprung, stürzte mit dem Kopf voran, streckte den Schweif in die Höhe und wir beide lagen auf dem Boden, d. h. mein Pferd auf mir. Glücklicherweise blieb mein Pferd vor Bestürzung ruhig, so daß ich mich ohne Verletzung, aber nicht ohne beschmutzt zu sein, wieder frei machen konnte; das Pferd hatte ebenfalls keinen Schaden gelitten.

Wir erreichten Erdscheck erst bei dunkler Nacht, nachdem wir vorher noch an einem Feuer reisender Kaufleute Halt gemacht hatten. Es war dies ein gut brennendes Holzfeuer und machte einen andern Eindruck als die im Orient gebräuchlichen Feuer von Kuhmist und Dornen. Ein Teil von uns wohnte bei dem Pfarrer, der andere in einem benachbarten Hause. Das Diner, das Russell uns servieren ließ, war ganz nach orientalischer Art, wobei auch nach alter Etikette die Finger die Hauptrolle spielten. Ein ganz gebratener Hammel bot den Zähnen viel Widerstand, was leicht begreiflich ist. Am andern Morgen nahmen wir Abschied von Russell, der seine Reise nach Bayasid fortsetzte, während wir nach Wan zurückkehrten.

Der See von Erdscheck, an dem der Weg nach Wan vorbeiführt, bietet in seinem Umrisse durchaus kein anmutiges Bild; sein Wasser ist noch salziger als das des Wansees. Früher war der See durch eine niedrige Sandbank in zwei Teile geteilt. Er liegt in einer Höhe von ungefähr 1800 Metern.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)