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Energie gezeigt hatte. Wird alles widerrufen werden, wenn er noch einmal kräftig interveniert?

Allmählich fingen wir an zu fürchten, daß diese offiziöse Protektion sich nur zu bald in eitel Dunst auflösen würde; Scherifoff selbst, der im Anfang viel Eifer für uns gezeigt hatte, schien aufgeregt und beunruhigt.[1]

Endlich erhielten wir, nach einem Warten von einem Monate, die Vezirsbriefe! Sie hatten die Reise von Konstantinopel nach Tiflis gemacht, und von da aus hatten sie Wan erreicht über Batum, Odessa, Konstantinopel, Trapezunt!

Da Hyvernat leidend war, gingen Pater Duplan und ich zum Mektubdschi, um ihm die Briefe zu zeigen. Dieser schien die Depesche des Ministers erhalten zu haben, denn er empfing uns ganz nett und erbat sich bloß einen schriftlichen Bericht über unsere geplanten Unternehmungen. Wir ließen ihm den Bericht denselben Abend noch zugehen und erbaten uns zu gleicher Zeit Zabtiehs zu unserer Begleitung. Scherifoff verpflichtete sich, seine ganze Autorität anzuwenden, um innerhalb vier Tage die noch in Baschkala zurückgehaltenen Gepäckstücke zu besorgen.

Gegen Abend empfingen wir eine Depesche Nathanaels, die uns meldete, daß seine persönliche Angelegenheiten beendet seien, aber daß man übermäßigen Zoll für das Pulver und die Patronen verlange. Es ist auffallend, daß man auch in Baschkala nachgab; es handelte sich jetzt nur noch um die Zollfrage oder vielmehr um das Backhschich.

7. November.

Es war nun ein Monat seit unserer Ankunft in Wan verflossen. Gestützt auf die Briefe des Vezirs, begaben wir uns hinaus um photographische Aufnahmen zu machen. Ein ganzer Monat mußte verfließen unter Streitigkeiten und aufregendem Warten für uns, um zu dem harmlosen Resultat zu kommen, die Keilinschriften photographieren zu dürfen.

Da Hyvernat einen besonderen Bericht über diese Arbeiten liefern will, so können die Einzelheiten hier übergangen werden. Wir suchten nach Möglichkeit die verlorene Zeit wieder zu gewinnen, doch dies hielt schwer. Viele Inschriften müssen kopiert werden, da ihre ungünstige Lage ein erfolgreiches Photographieren nicht zuläßt; zum wenigstens muß der Text, da wo er veröffentlicht ist, durchgesehen werden, um die zahlreichen Hehler der Übersetzung verbessern zu können. Aber bei zehn Grad Kälte, im vollen Winter des Gebirges Keilinschriften kopieren, die oft mehrere hundert Zeilen umfassen! Nach einer Viertelstunde ist man starr vor Kälte, so daß man nicht mehr imstande ist, den Bleistift zu halten und jede Anstrengung zur Aufmerksamkeit einfach unmöglich wird.

An demselben Tage erhielten wir von Baschkala die Briefe, die von Europa nach Tebris und Khosrawa geschickt worden waren. Der Kurier war von einem Klagebrief Nathanaels begleitet. Der Vekil des Mutessarif hatte ihm inbezug auf uns die häßlichsten Lügen erzählt; wir seien während der Nacht von Baschkala geflohen und hätten die gröbsten Vergehen auf uns geladen; die Verhaftung Nathanaels

  1. Ich hatte richtig vermutet, als ich annahm, die Stellung Scherifoffs sei erschüttert. Kurze Zeit nach unserer Abreise war der Riß zwischen ihm und dem Konsul offen. Er fiel in Ungnade, und ich konnte niemals erfahren, wohin er geschickt worden ist. Der Gedanke, daß vielleicht sein guter Wille für uns zu seinem Falle beigetragen hat, ist für uns wirklich schmerzlich.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/167&oldid=- (Version vom 1.8.2018)