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Wenn das Wetter schön ist und die Bäume belaubt sind, bieten diese Avenüen des Abends ein schönes Schauspiel, wenn sich eine bunte Menge durch dieselben drängt, die froh ist, hinter den Wällen die Sorge und Arbeit, sowie das Gewühl der Geschäfte zu lassen. Jeder wohlhabende Kaufmann kehrt auf seinem Pferde zurück; zuweilen bringt er auf seinem Tiere noch irgend einen guten Freund mit. Andere kehren in ihrem von Eseln gezogenen Karren zurück, nur sehr wenige sieht man zu Fuß kommen. Die Entfernungen sind übrigens groß. Vom Bazar bis zum Hause der Dominikaner hat man beinahe eine halbe Stunde notwendig.

Wan ist bereits so weit vorgeschritten, daß man an einigen Stellen ein Pflaster aus klein geschlagenen Kieselsteinen hergestellt hat. Diesem Pflaster darf man aber nicht zu viel Zutrauen schenken. Bei dem ersten starken Regen verwandeln sich die Avenüen in Schmutzlachen, wobei dann aber meist das poetische Aussehen stark leidet.

Eben ist die Mission der Dominikaner erwähnt worden. Es ist wohl richtig, daß wir mit diesem Hause und seinen Bewohnern anfangen, da wir bei denselben während der Zeit unseres Aufenthaltes Schutz und wirkliches Wohlwollen gefunden haben.

Das Missionshaus ist nach dem Muster eines bescheidenen Wohnhauses erbaut worden. Im Erdgeschoß dient ein einfach geschmücktes Zimmer als Kapelle; im ersten Stock befinden sich zwei Zimmer, je eines für jeden Missionar, und ein ziemlich großer Diwan (Saal). Diese drei Räume haben Ausgänge auf eine Veranda, die von einem flachen Dach bedeckt ist. Von den Seiten her kann der Wind nach Belieben hineinblasen. Für den Winter ist diese Einrichtung allerdings sehr notdürftig.

Um uns Gastfreundschaft gewähren zu können, mußten die Patres sich freilich sehr einschränken, aber sie haben es mit der größten Bereitwilligkeit gethan.

Die Einrichtung, die nur provisorisch ist, entspricht genau der Dürftigkeit des Etats und der Ungewißheit der Stellung. Wenn bessere Zeiten für die Mission kommen, hat man einen geeigneten Platz für ein großes Gebäude, da sich hinter dem Hause ein großer Garten ausbreitet. Die Produkte des Gartens bieten freilich keine große Auswahl, der Winter dauert nämlich in Wan lange; wird es Frühling, so tritt dieser aber auch mit aller Macht auf, so daß die Vegetation sehr üppig wird. Es ist dann unmöglich, diesen raschen Umschwung zu hemmen; in einigen Wochen schießt alles Gemüse in Samen, so daß der Gärtner darüber ganz mutlos wird.

Der Gärtner ist Pater Duplan.

Pater Duplan ist der Gehilfe seines Vorgesetzten, des Paters Rhetorius. Beide sind uns liebe und ausgezeichnete Freunde geworden.

Die sieben Wochen unseres teilweise unfreiwilligen Aufenthaltes in Wan sind uns wohl oft lang geworden; wenn ich mich heute in dieses bescheidene Haus mit seinen mannigfachen Erinnerungen zurückdenke, erscheint mir die Zeit unseres Verweilens daselbst sehr kurz.

Der Pater Rhetorius ist mehr bekannt unter dem Namen Pater Jakob. In den nestorianischen Gegenden heißt er: Abuna Yakub oder gewöhnlich Iakub Beg. Durch seine Gewandtheit in der chaldäischen Sprache, selbst geachtet von den Nestorianern, hat er sich einen Namen in den Bergen erworben.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)