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des Walis. Die Patres begannen die jungen Armenier zu vereinigen, um sie die französische Sprache zu lehren; unmittelbar darauf begannen die Bedrückungen und die Drohungen. Zwar wagte der Gouverneur nicht, die Unterrichtsstunden amtlich zu verbieten, sondern ging auf türkische Weise vor, indem er an den Straßenecken Polizisten auf die Lauer stellte. Sahen diese nun einen jungen Mann auf das Haus der Dominikaner zugehen, so hielten sie ihn einfach fest. Dann suchte man den jungen Mann durch allerlei Verleumdungen der Patres von diesen fernzuhalten. Schlug dieses Mittel fehl, dann ging man zur Drohung über: „Wenn du noch ein mal zu den Franken gehst, wirst du ins Gefängnis geworfen.“ Und wirklich blieben die jungen Leute, die durch solche Drohungen eingeschüchtert wurden, von der Mission fern. Gegenwärtig erteilen die Patres den türkischen Offizieren französischen Unterricht. Können sie von dieser Arbeit sich auch nicht viel Erfolg versprechen, so können sie doch die Offiziere, die sich im allgemeinen durch ihre Gerechtigkeitsliebe auszeichnen, für sich günstig stimmen, was im gegebenen Halle von großem Nutzen sein kann.

Betreffs eines armenischen Priesters ist zu bemerken, daß ein solcher einfach unentbehrlich ist. Die schismatische armenische (gregorianische) und die katholische armenische Kirche bilden je eine besondere bürgerliche und religiöse Körperschaft, deren Rechte und Privilegien sich in der Person des von einem Rate umgebenen Patriarchen vereinigen. Dadurch, daß der Armenier in der einen oder andern dieser Körperschaften bleibt, genießt er mancherlei wichtige Vorteile und entgeht in ruhigen Zeiten den drückenden Maßregeln, die der mohammedanische Fanatismus eingeben kann. Wollen die schismatischen Armenier katholisch werden ohne ihre Vorrechte einzubüßen, so müssen sie eben in die religiöse Gemeinschaft der katholischen Armenier eintreten. Da die Patres allein in Wan sind ohne einen Vertreter des katholischen armenischen Patriarchen, der die Abschwörungen der Schismatiker entgegennehmen kann, so verlieren die von den Missionaren Bekehrten in den Augen der Türken ihre Eigenschaft als Armenier, was aber nicht der Fall ist, wenn der Patriarch die selben in die katholische Kirche aufnimmt. Ist dies letztere nun nicht der Fall, so gehören die Neubekehrten überhaupt keiner privilegierten Körperschaft an. Sie werden arme Christen ohne jegliche Hilfsmittel und Verteidigung und sind sowohl den Mißhandlungen der Mohammedaner als auch denen der aufgeregten Schismatiker ausgesetzt. Da sie nicht mehr als Armenier betrachtet werden, können sie auch nicht einmal auf die Hülfe irgend eines politischen Vertreters eines katholischen Staates hoffen. Deshalb können die Patres bei den Armeniern nicht viel auszurichten hoffen. Die günstigsten Augenblicke sind leider vorbei. Anstalten zu einer offenen Bekehrung können einzig und allein wegen des Fehlens eines armenischen Priesters nicht gemacht werden. So scheitern im Orient noch mehr als im Westen die größten Werke an untergeordneten Fragen. Für den Orden mußte darum die erste Angelegenheit die sein, den Patres einen armenischen Priester, der dann als Stellvertreter des Patriarchen fungierte, zu besorgen.

Nachdem die Patres auf allen ihren Schritten so eifrig überwacht und in allen ihren Unternehmungen gehindert werden und gleichsam widerrechtlich an ihr Haus gefesselt sind, bleiben sie auch noch den Haussuchungen und häßlichsten Bedrückungen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/180&oldid=- (Version vom 1.8.2018)