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unterworfen; ja einmal standen ihre Namen schon in der Liste der Geächteten. Nur durch ein Wunder entgingen sie dem letztern Unglück.

Die Stellung der beiden Missionare ist also gewiß nicht beneidenswert. Sie behaupten ihre Stelle, und dies ist schon viel; denn dadurch darf man für bessere Zeiten viel hoffen; jeder Schritt zum Rückzug würde zweifellos die Zukunft der Mission in Frage stellen. Aber bei den jetzigen Zuständen können die beiden Missionare auch nicht handeln.

Was die den Missionaren gemachten Schwierigkeiten noch unbegreiflicher macht, ist der Umstand, daß die armenischen Katholiken dem Sultan gegenüber sehr loyal sind, während die schismatischen Armenier sich nicht so leicht zum Gehorsam verstehen können, je nachdem Anregungen von Etschmyadsin, ihrem religiösen Mittelpunkte, kommen, die gewöhnlich darauf zielen, den russischen Einfluß zu vergrößern.

Melcon, Knecht der Missionare von Wan.

Die Gesellschaft der amerikanischen (protestantischen) Mission, die so bedeutende Niederlassungen in Kleinasien und Persien hat, besitzt auch eine schön eingerichtete Mission in Wan. Diese Mission hat in den letzten Zeiten auch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, so daß ihre Thätigkeit gegenwärtig ganz unbedeutend ist. Die Schulen sind bedroht, und die Zahl der Bekehrten wird stets kleiner. Der katholischen Mission gegenüber hat sie doch zwei Vorteile: Sie verfügt über große Geldmittel und erfreut sich außerdem des Schutzes des englischen Konsuls. Dieser Schutz ist schließlich bei den türkischen Zuständen nicht sehr hoch anzuschlagen; aber er ist offiziell, was für die Amerikaner doch ein großer moralischer Gewinn ist.

Der Chef dieser Mission, Dr. Reynolds, ist das richtige Muster eines Amerikaners; er ist ein ausgezeichneter Mensch, durchaus originell und dabei kaltblütig; ungeachtet der langen Zeit, die er schon im Oriente lebt, verrät seine türkische Sprache fast bei jedem Wort den Engländer.

Dr. Reynolds ist ein ausgezeichneter Arzt und gewährt dadurch manche Wohlthaten. Letzthin hat ihm der Wali verboten, die Kranken zu besuchen; dieses alberne und zugleich böswillige Verbot ist durchaus ungerechtfertigt.

Wir unterhielten angenehme Beziehungen zu Dr. Reynolds und seiner Frau während der Dauer unseres Aufenthaltes in Wan. Wie so viele Amerikaner ist Dr. Reynolds Theetrinker, so daß niemals Wein auf seiner Tafel erscheint. Als er uns zu sich einlud, war es grade die Zeit der Weinlese; bei dieser Gelegenheit machte er eine Ausnahme zu unsern Gunsten – Ausnahme ist zwar nicht das richtige Wort – und setzte uns Most vor; da derselbe den Gärungsprozeß noch nicht durchgemacht hatte, so war es auch noch kein richtiger Wein, und das Prinzip war gerettet.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)