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Das die Festung überragende Minaret sah er für einen Pascha an; es war unmöglich, ihn von seinem Irrtum zu überzeugen. Die Geschichte ist buchstäblich wahr; der arme Photograph ist in tausend Ängsten. Dummheit mit Bosheit vereinigt giebt eine schlechte Wirtschaft.

Die angeführten Thatsachen zeigen zur Genüge, wie wichtig es für die Europäer in Wan ist, dort Konsuln zu haben, die auch der christlichen Bevölkerung ihren Schutz angedeihen lassen. Rußland hat es gut verstanden, aus dieser Situation den größten Nutzen zu ziehen. Auch hat der russische Konsul die weitgehendsten Instruktionen. In allen Fällen handelt er mit der größten Energie, und da er das ausgezeichnete Prinzip anwendet, die Türken als Knechte zu behandeln, wird er gefürchtet und geachtet.

In einem kritischen Falle, wo ein russischer Unterthan verhaftet worden war, bewaffnete der Konsul seine Leute, stellte seine Kawassen als Schildwache auf, stieg zu dem Wali und kündigte ihm an, wenn der Gefangene nicht innerhalb zehn Minuten in Freiheit wäre, würde er (der Konsul) sich des Walis bemächtigen. Diese kühnen Streiche sind die einzige Ursache, weshalb die Russen so viel bei den Türken ausrichten können.

Ganz anders ist das Verhalten Englands. Der englische Konsul scheint nur die Aufgabe zu haben, seine Regierung von dem Verhalten des russischen Konsuls in Kenntnis zu setzen. Selten bleibt ein englischer Konsul länger als ein Jahr in Wan, wo er übrigens nicht die geringste Autorität besitzt. Seine Instruktion verhindert ihn eben daran, sich irgend ein Ansehen zu verschaffen. Der Wali von Wan hat nicht einmal die türkische Flagge an den Jubelfesten der englischen Königin gehißt; aber der Konsul Ihrer Majestät hat den Befehl, jeden Freitag – dem Ruhetag der Mohammedaner – die britische Flagge hissen zu lassen! Die servile Haltung, die dem neuen englischen Konsul bei der Rückkehr des Walis aufgedrungen worden ist, hat bereits Erwähnung gefunden. Trotz aller Erniedrigungen macht England doch keine Fortschritte; hat es doch sogar sechs Monate bei den untersten Instanzen bedurft, bis England so weit kam, daß sein Unterthan d’Amato in Freiheit gesetzt wurde.

Äußerst angenehm berührte es uns, als Gegenstück zu der Gemeinheit der Zivilregierung die sympathische und freie Figur Munir Paschas zu finden.

Munir Pascha ist der Militärgouverneur von Wan. Er ist ein großer Mann von kräftiger Statur und bietet das Bild eines hübschen Soldaten. Seine ersten Lorbeeren erwarb er sich in der Krim, und seinen Rang verdankt er lediglich seiner Tapferkeit. Zwar ist seine Aufgabe beschränkt; aber seine ganze Persönlichkeit atmet den Zauber der Redlichkeit und Loyalität. Von Anfang an durchschaute er den wahren Beweggrund zu den uns bereiteten Quälereien und schenkte uns seine Freundschaft, als wollte er uns für die Unbilden entschädigen. während der Wali und seine Bande sich gebärdeten, die Türkei dadurch zu retten, daß sie uns an der Kopierung der Keilinschriften verhinderten, gab er uns überall freien Zutritt zu den Orten, die seinem Befehl unterstehen. Auch seine Offiziere waren vom ersten Tage an unsere besten Freunde. Daß der Wali, Tabur Agassi nebst ihrer Zunft sich schon alle Mühe gegeben haben, einen solchen Mann, der ihnen oft

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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/186&oldid=- (Version vom 1.8.2018)