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Kilometer östlich von der Festung, die als Schildwache des Halbkreises erscheint. Diese ersten Hügel, die Höhen des Zemzem-Dagh, vereinigen sich in einem großen, sehr unregelmäßigen Bogen mit dem Warakgebirge, das sich gegen Südwesten zu neigt, um sich in dem See, ein wenig von Artamied entfernt, zu verlieren. Dieser Halbkreis hat durch seine geschützte Lage Ähnlichkeit mit der Provence; er war damals noch frei von Schnee, während alles ringsumher, Ebenen und Berge, schon mit Schnee bedeckt waren. Die Aussicht auf diesen Halbkreis ist bezaubernd. Im Südwesten tauchen die Gebirge mit ihren steilen Abhängen und ihren tiefen Einschnitten sich in den See;[1] gegen Westen vermischt sich der Horizont ungefähr mit dem Wasserspiegel, während ein wenig weiter nach Norden der Sipan-Dagh majestätisch die Landschaft beherrscht.

Diese Ebene von Wan ist außerordentlich fruchtbar und gut bewässert; die bedeutenden Bewässerungsarbeiten in den Thälern des Warak zur Sammlung des Wassers sind bereits erwähnt worden; während unseres Aufenthaltes sollten wir noch andere dergleichen Arbeiten sehen.

Vor einigen Jahren redete ein Armenier, Arzruni mit Namen, von dem armenischen Hochlande in folgenden Ausdrücken: „Obgleich Armenien schlecht regiert und gänzlich von der zivilisierten Welt getrennt ist, ist die Ackerwirtschaft daselbst in einem verhältnismäßig sehr guten Zustande wegen der Fruchtbarkeit des Bodens und der Thätigkeit der armenischen Bevölkerung.

Die eigentliche Ackerwirtschaft, die Baumzucht, die Pflanzung der Reben, die Gärtnerei, die Zucht der Seidenraupen und der Bienen gehen gut voran und sind beinahe ausschließlich in den Händen der Armenier. Das Gebiet von Wan und die Ebene von Alaschkert sind mit Korn und Gerste bepflanzt; sie versorgen die ganze (asiatische) Türkei und könnten noch größere Länder ernähren, wenn nur günstige Handelsbedingungen vorhanden wären. Wan bringt auch Wein und wunderschöne Früchte hervor. Seine Granatäpfel sind an der Tafel des Sultans sehr geschätzt. Man findet dort auch eine Art großer Äpfel, genannt Königsapfel, deren Körner nicht in dem Fleisch festgewachsen sind, sondern ein Geräusch verursachen, wenn man den Apfel schüttelt. In Alaschkert wächst der Sesam, die Gallnuß und Flachs. Bitlis ist durch seinen Tabak bekannt und Musch noch mehr.“[2]

Arzruni entwirft natürlich von seiner Heimat und seinen Landsleuten ein schmeichelhaftes Bild; im Durchschnitt hat er aber recht. Ganz gewiß ist der Mangel an Transportmitteln das einzige Hindernis, das sich der Entfaltung des Ackerbaues in dem Gebiete von Wan entgegenstellt.

Im Kloster der sieben Kirchen auf dem Warak, das weiter unten erwähnt werden wird, habe ich auch landwirtschaftliche Maschinen gesehen. Der Versuch

  1. Während der größten Zeit unseres Aufenthaltes in Wan war der Himmel hinter diesen Bergen dunkel und drohend, während er über dem Becken von Wan gerade das Gegenteil zeigte. Wir sollten nur zu bald erfahren, daß der Anfang des Winters für die Reisenden an dem Südabhang der kurdischen Berge eine Menge Regen im Gefolge hat.
  2. Arzruni „Les Armeniens en Turquie“ S. 12. Wenn man dieser Beschreibung auch etwas Übertreibung nicht wird absprechen können, so sehe ich mich doch genötigt, den Vorwurf, den ich den Armeniern von Transkaukasien gemacht habe, daß sie ebenso schlechte Ackersleute als gute Handelleute seien, teilweise zurückzuziehen.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/198&oldid=- (Version vom 1.8.2018)