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Pfeife. Endlich kommt die Karawane; auf die höflichste Weise bittet der Kurde den Führer der Karawane je nach den Umständen, ihm einen Teil oder die ganze Ladung abzutreten. Weigert sich der Karawanenführer, so zeigt ihm der Kurde einen ganzen Kreis von Karabinern, die auf ihn gerichtet sind. Was ist dann zu thun? Es muß gehandelt werden trotz der großen Überraschung. Der Karawanenführer weiß, daß die geringste verdächtige Bewegung ihm mindestens eine Kugel zuzieht; er weiß auch, daß die Kurden ihm nicht an das Leben wollen. Er kauft sich also dadurch los, daß er ihnen seine Ladung abtritt.

Hat er aber früher Streitigkeiten mit den Kurden gehabt, so muß er allerdings befürchten, daß man ihm dennoch an das Leben will, und das beste ist dann, daß er sein Leben so teuer als möglich zu verkaufen sucht.

Im großen und ganzen sind die Waffen doch ein gutes Schutzmittel, und deshalb ist auch eine Flinte mehr wert als ein Revolver. Zudem flößt letztere Waffe dem Kurden keine große Furcht ein, zieht ihn aber an, so daß er fähig ist, einen Reisenden verräterischerweise umzubringen, um sich der niedlichen Waffe zu bemächtigen.

Durch diese Erwägungen angetrieben, vervollständigten wir unsere Bewaffnung. Hyvernat hatte ein nichtgezogenes, zweiläufiges Gewehr. Ich besaß eine ausgezeichnete Hammerleßbüchse von Piper aus Lüttich. Von einem Wanlioten kauften wir für Gegu eine Berdanbüchse, die wir fast mit Gold aufwiegen mußten, und für Sahto einen alten Lefaucheur, der in ein Zentralperkussionsgewehr umgewandelt worden war. Zudem sollten uns zwei Zabtiehs begleiten, so daß wir also im ganzen über die beträchtliche Zahl von sechs Flinten verfügten.

Da wir so viel als möglich jede weitere Schwierigkeiten mit der türkischen Verwaltung vermeiden wollten, nahmen wir für unsere Flinten einen Waffenschein. Wir wollten auf der Zollstation auch einen Passierschein für unser Gepäck nehmen, aber da fing die türkische Behörde wieder an, sich zu zeigen. Der Wali hatte unsere photographischen Apparate von allen Abgaben befreit erklärt, weshalb wir sie überall frei hintransportieren konnten, so weit sich seine Herrschaft erstreckte; aber damit war die Zollverwaltung durchaus nicht einverstanden. Auch verweigerte sie uns den Passierschein, wenn wir nicht mindestens 132 Piaster für unsere Apparate erlegten. Unter diesen Bedingungen zogen wir es freilich vor, auf den Passierschein zu verzichten.

Für den Augenblick unserer Abreise hatte uns der Wali einen Buyuruldu versprochen, eine andere Art von Inlandspaß. Aber als wir ihn darum baten, tauchte eine neue Schwierigkeit auf. Der Wali erkundigte sich über die von uns gemachten Ausflüge und die von uns kopierten Inschriften; dann zog er unter seinen Wischen die von uns früher eingeforderte Liste heraus und verglich damit die Namen der Orte, die wir besucht hatten. Durch eine einfache Verwechselung der Rollen nahm er plötzlich an der Mission Hyvernats das größte Interesse und erklärte, daß er uns noch nicht abreisen lassen könne vor der Vollendung der Arbeit, da wir noch nicht alle angekündigten Orte besucht hätten. Wir wehrten uns hartnäckig. Wir hatten den 20. November; die Hälfte der von uns angezeigten Ortschaften liegt in den Bergen und war schon gänzlich unzugänglich; der Wali entfaltete leider seinen Eifer für unsere Sache zu spät. Wir konnten uns auch nicht entschließen, in Wan zu überwintern, und er konnte dem Vorwurf nicht entgehen – den er

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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)