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Kompagnie angerannt worden war. Masten und Schlot ragten noch aus dem Wasser hervor. Glücklicherweise waren bei dem Unfall keine Menschenleben zu beklagen. Aber diese Vorkommnisse sind eben zu zahlreich in dem Bosporus. Zwar ist der Bosporus an und für sich gefahrvoll für die Schiffahrt, aber es scheint auch, daß die Seepolizei daselbst viel zu wünschen übrig läßt, wie auch die Landpolizei im ottomanischen Reiche noch manchem berechtigten Wunsche Raum läßt.

Die Küste Kleinasiens, an welcher der Reka vorbeifuhr, bietet dem Auge eine Reihe herrlicher Landschaftsbilder. Die Berge erheben sich gleichsam aus dem Meere. Auf ihren schroffen Abhängen befinden sich große Wälder, die bis zum Ufer reichen, wo eine große Anzahl kleiner Dörfer bei ihnen sozusagen Schutz sucht. Die großen Feuersbrünste verbunden mit einer barbarischen Abforstung richten indes die herrlichsten Wälder immer mehr zu Grunde. Gegenwärtig findet man leider nur mehr daselbst sehr wenige Wälder, auf welche die begeisterten Beschreibungen früherer Reisenden passen dürfte. Ineboli, Samson, Kerasunt sind malerische Häfen, aber von ihren alten Erinnerungen sind nur wenige Spuren geblieben.

21. August.

Da Trapezunt keinen Hafen hat, war es unmöglich, daselbst während des stürmischen Wetters anzulaufen. Die Schiffe müssen dann in der flachen Bucht von Platana, einige Kilometer weiter nach Osten, Zuflucht suchen. Der Reka kam gegen zwei Uhr daselbst an. Während der Nacht legte sich der Wind ein wenig, und wir konnten gegen Morgen Trapezunt erreichen, wo die Landung sehr schwierig zu bewerkstelligen war.

22. August.

Auch Trapezunt hat von seiner Vergangenheit nichts mehr erhalten können als Andenken, nämlich malerisch umgebene Ruinen. Die ehemals so berühmte Festung ist heute nur mehr ein armseliger Wall. Ihre Ruinen, die sich inmitten der Stadt zwischen zwei Abgründen auf dem Gipfel eines felsigen Vorgebirges erheben, sind mit der Neustadt durch Brücken verbunden. Ein Kamm von einigen Metern Breite verbindet sie mit dem vulkanischen Berg Boz-Tepe.

In der Festung war das Schloß der Komnenen errichtet, dessen westliche Mauer zu gleicher Zeit als Festungswall diente.[1] Seine Ruinen beherrschen die Höhe, während sie von hundertjährigem Epheu umsponnen sind. Auf den alten, nunmehr gefüllten Gräben wachsen Feigenbäume. Dies ist alles, was noch von den Spuren der alten Zeit übrig geblieben ist.

Trapezunt ist eine Handelsstadt geblieben, wo das europäische Element stark vertreten ist. Fast alle Karawanen zwischen dem schwarzen Meer und Persien bilden sich hier. Eine fahrbare Straße verbindet diese Stadt mit Erzerum und setzt sich auch noch in der Richtung auf Wan als ein brauchbarer Weg fort. Mehrere Straßen der Stadt sind breit, wohl gepflastert und auch verhältnismäßig reinlich. Ungefähr zwei Kilometer westlich von Trapezunt in der Richtung auf Platana

zu findet sich die alte Kirche der heiligen Sophia, welche die Türken in eine

  1. Nach der Einnahme Konstantinopels durch die Lateiner wurde Trapezunt die Hauptstadt eines griechischen Kaiserreiches unter der Herrschaft der Komnenen, bis sich Mohammed II. ihrer im Jahre 1461 bemächtigte.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)