Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/223

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ankunft 6 Uhr abends.

Das Dorf Karakhan ist auf einer kleinen Anhöhe erbaut und fast ganz von den schlammigen Krümmungen des Bendimahi-Tschaï umgeben. Sie bilden hier eine Art Teiche, auf denen eine Menge Wasservögel haust. Noch nie ist auf diese Tiere Jagd gemacht worden. Sechs Flintenschüsse, die wir auf eine Kette wilder Enten abgaben, vermochten diese noch nicht zum Fortfliegen zu veranlassen. Die Bekassinen lassen sich im Sitzen schießen, aber die Jagd auf dieselben ist meist nicht lohnend. Da wir keinen Hund hatten, konnten wir die geschossenen Vögel nicht bekommen. Eine Ente jedoch fiel nahe an dem Ufer nieder, und Sahto wagte ein kaltes Bad, um sie zu bekommen.

Karakhan ist ein kurdisches Dorf; die Typen sind fast schön zu nennen und stehen jedenfalls sehr im Widerspruch mit den gewöhnlicheren Typen der Armenier.

Der Sipan-Dagh, von dem Delta des Bendimahi-Tschaï aus gesehen.

Ich begann sofort mein Reisejournal auszufüllen, wobei mich unsere Wirte mit großem Erstaunen betrachteten. Sie konnten nicht begreifen, daß ich so schnell schrieb, und daß ich eine ganze Seite schreiben konnte, ohne Tinte zu nehmen. Mit der dickflüssigen Tinte der Orientalen kann man allerdings kaum eine Zeile schreiben, ohne daß man wiederholt die Feder in die Tinte tauchen muß. Mit großer Stille betrachten sie mich, indem sie ganz über das Tagebuch gebeugt waren. Dann erhoben sie sich und ließen zum Zeichen ihres Erstaunens ein Schnalzen mit der Zunge hören ähnlich dem Laute t, wobei sie lächelten, als ob sie sagen wollten: „Er kann hexen.“ Es war dies mein erster Erfolg im Schnellschreiben, worauf ich allerdings sehr stolz bin.

24. November.

Endlich fanden wir eine Keilinschrift. Während ich in der Frühe in den Sümpfen umherwatete, inspizierte Hyvernat das Dorf und entdeckte ein sehr schönes obeliskenartiges Grabmal aus einem Stein.[1] Unglücklicherweise war es umgefallen, und die Schrift lag auf der Unterseite. Bei dem Froste hielt es schwer, das selbe frei zu bekommen. Wir ließen unser Gepäck nach Ardschisch vorangehen und leiteten die Arbeiten der Dorfbewohner, unserer improvisierten Erdarbeiter. Sie lachten, schrien und mühten sich ab, aber die Arbeit schritt nur langsam vorwärts. Endlich lag der Stein frei, so daß Hyvernat den Text kopieren konnte. Ich versuchte, eine Photographie davon aufzunehmen, aber es ging nicht, da der Apparat nicht ordentlich gestellt werden konnte. Der Grabstein gehört dem König Minuas. Hyvernat fand noch ein Bruchstück einer Inschrift in dem Gesims einer Thüre.

  1. Erst später erfuhren wir, daß sie schon entdeckt war.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/223&oldid=- (Version vom 1.8.2018)