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Marco Polo führt Ardschisch unmittelbar nach Erserum auf;[1] heute sind von dem alten Ardschisch dagegen nur mehr Ruinen zu sehen.

Beim Ausgang von Agantz fanden wir auch einige Dörfer, die mit kleinen Büschen umgeben waren, dann große Strecken gepflügtes Land, wo dem Anscheine nach die Furchen sehr tief waren. Nach und nach wurde die Ebene feucht, morastig, so daß die Pferde nur langsam vorankamen. Khalil, der ein ausgezeichnetes Pferd ritt, neckte uns deshalb.

Eine große Ruine fesselte darauf unsere Aufmerksamkeit; es war eine merkwürdige Zitadelle, wo an der Seite der sogenannten Türme die Mauern sich in Form einer Parabel einwärts bogen. Die Skizze davon,[2] so einfach sie auch ist, mag davon eine kleine Andeutung geben; diese Bauart scheint übrigens sehr selten zu sein.

Zur Seite der Zitadelle finden sich zwei zerfallene Moscheen. Beide sollen ursprünglich Kirchen gewesen sein nach dem Stil und den zahlreichen armenischen Kreuzen zu urteilen, die man auf den Mauern erblickt. Alle diese Bauarten besitzen auf der starken Mauerarbeit eine Bekleidung von sehr hartem Kalk. Der Stil ist rein, und diese Monumente reichen ganz gewiß in eine große Kunstepoche hinauf. Übrigens ist von der Stadt nichts mehr vorhanden als Schutthaufen; alles ist unbewohnt.

Khalil versicherte uns, vor neun Jahren Ardschisch ganz von dem Wasser des Sees umgeben gesehen zu haben. Heute sieht man noch alte Wälle, die sich bis unter das Wasser erstrecken. Eine Brücke soll früher den See zwischen Ardschisch und Haidarbeg überspannt haben. Bei niedrigem Wasserstand kann man anscheinend noch die Pfeiler der Brücke unter dem Wasser sehen.

Wir erreichten Agantz bei einbrechender Nacht; kaum waren wir in unser Quartier eingekehrt, als ein armer, alter Kurde, ein bettelnder Musikant, uns besuchte. Er hatte einen sehr schönen, regelmäßigen Typus, schien vornehm und stolz zu sein. Nachdem er sich niedergekauert hatte, zog er eine Art Klarinette mit runder Mundöffnung heraus, steckte sie in eine Ecke seines Mundes und trug uns sein ganzes Repertoir nationaler Melodien vor. Es fehlte zwar die Abwechslung, doch wurde diese auch wiederum durch einen reizenden, eigentümlichen Charakter der Melodien ersetzt.

Kurdischer Schild mit Pulverhorn.

  1. „Hermenia … is a great country … the nobelst of their cities is Arzinga (Erzingian) and Erzerum and Arzizi“ (Ardschisch) Marco Polo, by Col. Yule I. 45.
  2. Siehe Seite 203.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)