Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/236

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wurden die Verteidiger liederlich; Dschelal nahm die Stadt mit Sturm. Die Horden Dschingiskhans entrissen sie ihm 1245. Damals wurde Akhlat die Apanage einer georgischen Prinzessin, die an einen Fürsten aus der Familie Saladins verheiratet war. Der Krieg hatte ohne Zweifel schon viele Ruinen geschaffen. Im Jahre 1247 zerstörte ein Erdbeben noch einen großen Teil der Baudenkmäler. Endlich bemächtigte im Jahre 1548 (955 der Hedschra) sich der persische Schah der Stadt und ließ die Festung (Nr. 5 des Planes) vollständig schleifen. Später gründete Soliman Ghasi eine neue Festung am Ufer des Sees (Nr. 1), die aber niemals eine Bedeutung erlangt hat.

Nach diesem historischen Streifzug wollen wir zu unserer Grotte zurückkehren; da es schon zu spät war, die Ruinen zu besuchen, wollten wir den kommenden Tag diesem Zwecke widmen.

Wir hofften, allein unsere Wohnung einnehmen zu können. Mit einigem Mißtrauen bemerkten wir indes, daß man uns nur den besten Teil derselben abgetreten hat. Wir ließen uns neben dem Tandur nieder. Ich begann mit dem Ausfüllen meines Reisejournals und machte eine barometrische Aufnahme. Während dieser Zeit ließ Hyvernat sich von unserm kleinen Chaldäer Lazarus die Stiefel ausziehen. Dieser benahm sich dabei aber so ungeschickt, daß auf einmal sich vier Beine in die Luft hoben und in ihren Fall Tisch, Tintenfaß, Barometer, kurz unsere ganze Einrichtung verwickelten. Jeder von uns half unter der denkbar größten Heiterkeit unsere Sachen in Ordnung bringen. Nach vielleicht fünf Minuten wollte ich meine Barometer in ihre Etuis bringen, aber ich konnte eines derselben nirgendwo finden, wiewohl ich alles durchsuchte, sogar den Tandur.

Während dieser Zeit spielte sich am Ende der Grotte eine typische Szene ab. Der Hausherr zog Huschanna zur Seite und vertraute ihr als großes Geheimnis an, daß er gegen ein gutes Backschich uns wieder zu unserm Barometer verhelfen wollte. Huschanna, die ahnte, um was es sich hier handelte, versprach ihm lächelnd das verlangte Trinkgeld. Der Hausherr zeigte ihr darauf mit dem Finger seinen Bruder, der auf der Plattform im Hintergrund der Grotte verborgen und damit beschäftigt war, das Barometer in einer Kiste zu verstecken. Hier lag also offenbarer Diebstahl vor, der um so schwerer war, als die Diebe uns die Gastfreundschaft angeboten hatten. Der Lump hatte gesehen, wie das Barometer in den Tandur fiel, und sich mit wirklicher Diebesschnelligkeit desselben bemächtigt, ehe wir so viel Zeit hatten, es zu bemerken; das Kupfer der Einfassung hatte er für Gold angesehen und sich davon viel versprochen. Wir forderten gebieterisch und mit Zorn die Rückgabe unseres Barometers. Ich ergriff dasselbe und beschäftigte mich damit zu untersuchen, ob die Asche und die Wärme des Tandurs ihm keinen Schaden zugefügt hätten, so daß ich darüber den Dieb ganz vergaß, und Hyvernat also die Rolle des Richters übernehmen mußte.

Dieser begann die Ausübung seines Amtes damit, daß er den Dieb mit Kolbenstößen so traktierte, als sei er einer unserer Zabtiehs. Kaum war die Sache klar, so stürzte er sich auf den Spitzbuben und zerschlug ihn mit Hilfe unserer Leute erbärmlich. Sein Bruder, unser Gastwirt, war so naiv, gerade diesen Augenblick zu wählen, um sein Trinkgeld zu verlangen, und den Dieb damit zu entschuldigen, daß das Barometer ihnen gehöre von dem Augenblicke an, da es in den Tandur gefallen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)