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Vor dem letzten russisch-türkischen Kriege ging die transkaukasische Eisenbahn bis Poti, einer kleinen, an der Mündung des Rion gelegenen Stadt. Dies war aber nur ein Notbehelf, weil das Klima daselbst mörderisch und der Hafen schwer zugänglich ist. Nach der Annexion Batums beeilte sich deshalb die russische Regierung, den Hauptpunkt der transkaukasischen Eisenbahn dahin zu verlegen. Anfangs war Batum ein Freihafen, und es schien, als ob der Transithandel von Europa nach Persien die lange und gefährliche Strecke Trapezunt-Bajasid verlassen werde, um die transkaukasische Eisenbahn und den Fahrweg von Tiflis nach Persien zu benutzen, wovon man sich einen großartigen Aufschwung versprach.

Aber politische Erwägungen entschieden darüber ganz anders. Unter allen Handelsstaaten, die Waren nach Persien und Transkaspien einführten, stand England obenan. Um England einen Streich zu spielen, hob Rußland die Handelsfreiheit des Hafens von Batum auf und machte daraus zum Ärger Englands einen Kriegshafen. Was die Einfuhr nach Persien durch russisches Gebiet betrifft, so ist dieselbe seit 1882 thatsächlich unmöglich, weil unerhörte Zölle auf alle Arten von Waren gesetzt sind. So hat Rußland den englischen Handel bedeutend geschädigt. Der Zollbeamte in Batum ließ uns aus lauter Liebenswürdigkeit für unsere persönlichen Gerätschaften keinen Zoll bezahlen; aber wir hatten in Konstantinopel ein kleines Pack mit Stoffen für die Mission in Khosrawa mitgenommen. Der wirkliche Wert der Stoffe überstieg nicht zwanzig Franks, aber dafür mußten wir achtzig Franks Zoll entrichten. Der Schiffskapitän war so freundlich, seinen Siegel einem kleinen Brevier aufzudrücken; dies war aber auch die einzige kirchliche Kontrabande, die wir durchschmuggeln konnten.

Die hohen Zölle versperren den europäischen Produkten den Weg durch Rußland. Der Transport durch die Türkei wird durch Straßenräuber sehr erschwert; der Norden Persiens ist demnach dem europäischen Handel vollständig verschlossen und ausschließlich Monopol der russischen Großindustriellen geworden.

Batum liegt in einer von Fieber heimgesuchten Gegend, ist aber doch im Vergleich zu Poti ein Sanatorium zu nennen. Die waldigen Berge von Guria, deren letzte Ausläufer sich bis zum Meere ziehen, geben der Stadt eine anmutige Einfassung. Die Stadt ist noch im Entstehen; der Anlageplan muß großartig genannt werden. Aber die Unterdrückung der Handelsfreiheit hat nicht bloß das Verkehrsleben aufgehalten, sondern verhindert auch ohne Zweifel dadurch die Entwickelung der Stadt. In den Straßen stehen die Eingeborenen mit ihren sonderbaren Turbanen und ihren rohen Sitten in auffälligem Gegensatze zu den anwesenden Europäern. Das Hotel de France, das erste dem Range nach in Batum, ist erbärmlich; durch ein damit verbundenes Kaffeehaus, in welchem Konzerte stattfinden, war für uns an Schlafen daselbst nicht zu denken.

24. August.

Gegen Morgen verließen wir Batum. Die Eisenbahn läuft um die Stadt; bald erreicht sie das Ufer und durchschneidet eine Gegend, deren feuchter, weicher Boden eine üppige Vegetation trägt. Überall sind die Bäume mit Schlingpflanzen beladen, so daß man kaum begreift, daß sie noch wachsen können. Die in dem großen Walde von Guria zerstreuten Äcker scheinen besonders fruchtbar zu sein. Die vorherrschend angebaute Pflanze ist Mais. Man säet ihn im Mai, um ihn im

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)