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Zunächst befindet sich hier der große Friedhof des Volkes (Nr. 4); die mehr als zwei Meter hohen Grabsteine, die durchweg mit schönen Inschriften bedeckt sind, zeigen eine merkwürdige Übereinstimmung; hier findet sich der Charakter der Geschichte Akhlats wieder: nämlich eine große Blüte in einer kurzen Periode. Inmitten dieser Gräber finden sich zwei Grabmäler (Turbehs).

Zwar findet man die schönsten Turbehs an dem Pfade nach Adeldschiwas. Das Grab des Sultans Bayandur (eines der tartarischen Häuptlinge, die sich Akhlats im fünfzehnten Jahrhundert bemächtigten) ist ein wahres Schmuckkästchen (Nr. 3 des Planes). Vor einem auf rechteckiger Grundlage aufgeführten Gebäude mit strengen Formen erhebt sich ein zylindrisches Häuschen, das beinahe ganz durchbrochen ist. Elegante Säulchen tragen Kapitäle mit kurzen Kelchen, an deren Enden ein äußerst fein gearbeitetes Kranzgesims verläuft. Das Häuschen ist mit einem konischen Steindach gekrönt. Im Laufe der Zeit hat dieser rotbraune, feinkörnige Stein wärmere Farbentöne angenommen, wodurch die ganze Schönheit der Arbeit wunderbar erhöht wird.[1]

Auf dem rechten Ufer des Stromes (Nr. 7 u. 8) finden sich die Ruinen zweier Turbehs. Sie waren von viereckiger Form und dem Anschein nach viel größer als das beschriebene. Das eine von diesen Grabmälern wird von den Einwohnern Turbeh des Hassan Padischah genannt. Die befestigte Stadt (Nr. 1) an dem Ufer des Sees, ist, wie wir gesehen haben, mehr modern; sie wurde durch Sultan Soliman Ghasi im Jahre 975 der Hedschra = 1564 unserer Zeitrechnung gegründet. Wahrscheinlich schien in dieser unruhigen Zeit, wo die Festung erbaut wurde, das System der Gärten zu gefährlich, so daß die Umwallung bestimmt ward, die Mehrzahl der Häuser zu schützen. Obwohl ihr Umfang ziemlich klein ist, so hat sie doch wahrscheinlich der durch die Kriege sehr gesunkenen Einwohnerzahl genügt.

Heute bewohnen nur noch einige arme Famillen diese Ruinen. Die Umwallung schließt zwei Moscheen ein. Die eine von ihnen ist ein quadratischer Bau, der von einer zylindrischen Kuppel überragt wird und innerhalb durch Spitzbogen verbunden ist. Der Portikus ist gänzlich zerfallen. Die Kuppel der zweiten Moschee ist auswendig achteckig und inwendig zylindrisch. Der Portikus ist besser erhalten als bei der andern. Ornamente bieten diese beiden Moscheen sozusagen gar keine.

Gegen Abend kehrten wir zu unserer Grotte zurück. Der Hausherr hatte die Szene von dem vorhergegangenen Abend zu gut im Gedächtnis behalten, so daß er uns in seiner Wohnung allein schalten und walten ließ.

Nach dem Abendessen präsentierten sich uns kurdische Musiker in Begleitung von zwei jungen Tänzern. Die Musiker bedienen sich der Kiamantscha oder kurdischen Viola und des Tamburins. Jeder der Tänzer besitzt eine Kastagnette.

  1. Von dem Grabmal (Nr. 3) habe ich eine Photographie genommen. Leider hatte die Platte zu sehr durch die Feuchtigkeit gelitten, so daß die Hauptmotive des Schmuckes von dem Zeichner nur in schwachen Umrissen angedeutet werden konnten. Die Inschriften der verschiedenen Turbehs konnte ich leider nicht entziffern. Deyrolle, der in seinem Werke „Tour du Monde“ (XXX. 287) die Namen der unter diesen Grabmälern ruhenden Fürsten angiebt, hat leider keinen Plan von Akhlat, so daß ich die Identität der Gräber nicht feststellen konnte. Bloß das abgebildete konnte ich mit Bestimmtheit wieder erkennen nach Layards Werk: „Discoveries in the ruins of Niniveh and Babylon“ S. 25.
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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)