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uns und unsere zwölf Pferde blieb kein Raum mehr, zudem hatte die ganze Gesellschaft auch wenig Einladendes, um da zu bleiben. Wir reisten weiter und suchten uns ein anderes Quartier. Während unserer kurzen Beratung verschwand der Offizier, und wir hörten auch weiter nichts mehr von ihm.

In Dukhan spaltet sich der Weg; der eine Arm führt von Bitlis nach Diarbekr und der andere von Bitlis nach Mosul über Saïrd. Der erste folgt noch dem Thale des Bitlis-Tschaï bis Ziaret; der unsrige verläßt hier das Thal, führt über einen Paß und folgt dann den Seitenthälern des Bohtan-Su.

Hinter Dukhan trafen wir noch hier und da an dem Wege eine Menge Nachzügler, von denen einige im Begriffe schienen zu sterben. Der Aufstieg ist hier wegen der Steilheit der Felsen sehr beschwerlich. Aber man kommt durch Wald; und auf das Hauptthal, über dem wir uns befanden, boten sich uns hier und da zwischen den Bäumen durch wunderschöne Durchsichten. Der Strom scheint immer in einer tiefen Schlucht zu fließen; über ihm nehmen die Abhänge der Berge zartere, größere Formen an. Es sind große, seitliche Hügelketten, mit einer herrlichen Vegetation bedeckt, die sich hier und da in den Zacken der Berge kreuzen und dann in weiter Ferne verschwinden. Die Regelmäßigkeit dieser Kreuzungen der Berge, die Vegetation, die dieselben bedeckt, und unsere eigene Karawane, wie sie langsam den Wald hinaufkletterte, erinnerten mich lebhaft an einige Aquarelle von Paul Marcoy in seiner „Reise durch die Sierras“ ; früher hielt ich sie für übertrieben, aber jetzt gestehe ich meinen Irrtum ein. Er hatte ohne Zweifel recht, die Landschaft in solcher Weise wiederzugeben.

Ich habe bereits erwähnt, daß die Einwohner ihre Wälder zur Gewinnung von Kohlen brauchen oder mißbrauchen, denn sie bedienen sich zu diesem Zwecke eines spezisisch kurdischen Verfahrens. Ein alter Stamm, der keine neuen Schößlinge mehr treiben will, wird zu Kohlen gebrannt; aber das Fällen und Zerkleinern ist den Kurden zu lästig. Es ist doch viel einfacher, Feuer an den Baumstumpf zu legen und ihn dann verbrennen zu lassen. Freilich gehen dann gut drei Viertel des Holzes verloren, aber auf diese Weise bekommt man Kohlen, ohne daß man sich müde zu arbeiten braucht, und dies letztere ist gerade für die Kurden die Hauptsache. Wir sahen mehrere dieser riesigen Baumstämme brennen. Daß auf diese weise ein bedeutender Waldbrand entstehen kann, kümmert sie wenig; übrigens vermindert die fortwährende Beseitigung der Bäume die Gefahr auch wieder.

Bei diesem beschwerlichen Aufstieg ging es selbstredend langsam her, und die ganze Karawane kam in Unordnung. Als wir bei dem Einbruch der Nacht auf dem Paß ankamen, erklärten uns die Zabtiehs, daß wir jetzt erst halbwegs zwischen Dukhan und dem nächsten Dorfe wären. Es war unmöglich, mit unsern ermüdeten Tieren in der Dunkelheit noch weiter zu kommen; wir hätten uns auch ganz bestimmt verirrt. Bei dem nächsten günstigen Ort machten wir also Halt. Das Wetter war schön; obgleich wir im Dezember waren und in einer Höhe von beinahe 2000 Metern, hatte die sternenhelle Nacht durchaus nichts Schreckendes für uns, sondern gerade das Gegenteil war der Fall.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/253&oldid=- (Version vom 1.8.2018)