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war zu thun? Sollten wir das Gepäck über den Fluß schaffen lassen? Aber wenn der Fluß noch während der Nacht stieg, was sehr wahrscheinlich war, und dadurch für den anderen Tag jede Passage unmöglich machte, was sollten wir dann in dem halb zerfallenen Khan machen, da wir ohne Transportmittel, ohne die Pferde gewesen wären? Nach einer dreiviertelstündigen Beratung und dazu noch in dem heftigsten Regen entschieden wir uns schließlich für das Klügste, nämlich zurückzukehren. Dies war sehr weise von uns; denn während der Beratungen neben der Barke war der Fluß so sehr gestiegen, daß er uns beinahe eingeschlossen hätte. Dieses Hindernis war freilich leicht zu überwinden, aber man sieht daraus doch die Gewohnheiten des Tigris.

Wir traten also den Rückzug an; aber dieses Mal ersparte uns die Barke, die bis zum Kanal (B) gebracht worden war, den langen Umweg, den wir an demselben Tage hatten machen müssen. Die Bagage und Reitpferde, die wir unsern Leuten anvertraut hatten, machten die unangenehme Promenade allein. Huschanna ritt den Dschamusch und wollte eine Pfütze überspringen, aber Roß und Reiter verschwanden gänzlich in dem gelblichen Moraste. Die Pfütze ist ein tiefes Loch; beide aber zogen sich aus demselben ohne besondere Verletzungen. Huschanna trug meine Tasche mit meinen Papieren; aber das beste an der ganzen Affaire war doch das, daß kein Tropfen Wasser in die Tasche eingedrungen war. Aber eines meiner Barometer, das sich in der Halfter des Sattels befand – dasselbe, das in den Tandur in Akhlat gefallen war – ging dabei zu Grunde.

Wir kehrten also zu dem ausgezeichneten Bischof zurück, in Wirklichkeit ein Rückzug wie in Rußland 1813.

Man kündigte uns eine gute Nachricht an: Pater Galland war soeben nach Dschesireh zurückgekehrt; er war halb tot, da auch er in ein Schlammloch unterwegs gefallen war.[1]

15. und 16. Dezember.

Da saßen wir nun richtig in der Mausefalle! Auf dem rechten Ufer des Tigris konnten wir Mosul nicht erreichen, weil da alles Wüste ist, die in dieser Jahreszeit nicht bereist werden kann; es ist aber auch unmöglich, den Tigris zu passieren. Und selbst wenn uns dies noch gelänge, so hätten wir die schöne Aussicht, vier bis fünf Tage in dem von dem Regen aufgeweichten Boden im Schlamme zu waten. In dieser traurigen Lage ging uns plötzlich ein Licht auf: wir könnten ja Mosul auf einem Kellek erreichen. Dieser Vorschlag wurde auch sogleich adoptiert.

Ohne Zweifel stand uns kein Kellek erster Klasse zur Verfügung, denn die „Häfen“, von denen diese Fahrzeuge gewöhnlich auslaufen, sind Diarbekr in gewissen Zeiten und Mosul das ganze Jahr. In Dschesireh stellt man bloß Kelleks für Warentransporte her. Doch ließen wir uns davon nicht beeinflussen, sondern suchten die Sache in Gang zu bringen. Zunächst machten wir also Einkäufe zu einem Kellek von 162 Schläuchen.

Der Kellek ist ein Fahrzeug, das aus Schläuchen von Hammelfell zusammengesetzt ist, die mit Luft gefüllt sind. Diese Schläuche werden der Länge nach auf

  1. Pater Galland hat besonders den Distrikt von Medeat zu besorgen; auf einer Reise von Medeat nach Dschesireh wurde er am 17. Juni 1890 von den Kurden ausgeplündert. (Missions cath. 1890, 134.)
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/276&oldid=- (Version vom 1.8.2018)