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die Bedingung, daß sie dann nach Mosul kämen, um dort den Lohn in Empfang zu nehmen. Nachdem sie sich diese Sache überlegt hatten, zogen sie es aber vor, mit dem Solde bis Dschesireh zufrieden zu sein und so bald als möglich nach Wan zurückzukehren. In dieser Jahreszeit hatten sie keine Aussicht, auf der Rückreise eine Karawane begleiten zu können, wohl aber hatten sie, je länger sie zögerten, um so mehr den Schnee zu fürchten. Wir gaben ihnen noch ein gutes Backschich, und sie zogen befriedigt von dannen. Wir brauchten uns über sie wirklich nicht zu beklagen; wenn man sie für das nimmt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich für Briganten, so muß man sagen, daß sie uns wirklich gute Dienste geleistet haben.

Sahto sollte in Begleitung von Lazarus unsere Reitpferde nach Mosul führen, so bald die Wege brauchbar geworden sein würden.

Unterdessen war unsere Wohnung ganz fertig geworden und die Teppiche auf gehängt; jetzt handelte es sich darum, die Wohnung zu dem Kellek zu transportieren. Am 16. um 11 Uhr des Vormittags begannen wir mit diesem schwierigen Geschäfte.

Fünfzehn Hammals (Träger) übernahmen dieses Geschäft. Nach orientalischer Art begannen sie mit Schreien und Kommandieren, dann hoben sie langsam das Gebäude in die Höhe und legten es auf ihre Schultern. Man hätte glauben können, die berühmte Sänfte Richelieus sich bewegen zu sehen; aber es fehlte die allgemeine Ruhe. Hier war die ganze Einwohnerschaft unter heiterem Geplauder versammelt, und unsere Hammals marschierten unter faulen Witzen und allgemeiner Heiterkeit; es war ein wirkliches Fest für die Leute.

Wir kamen an eine schlimme Passage, nämlich an eine Straße, die zu beiden Seiten mit Häusern eingefaßt ist. Klatsch, stößt unser Haus an und zerstört ein Wetterdach an der rechten Seite! Zur allgemeinen Freude hebt es gleich darauf an der linken Seite der Straße die Ecke eines Daches fort. Die Leute schrieen wohl ein wenig, wagten aber keine ernstliche Reklamation. Endlich kamen wir zu der schlimmsten Stelle; der Weg führt, um an das Ufer zu kommen, durch eine Mauerbresche, die ziemlich eng ist. Das ganze Gebäude seufzte und krachte, ging aber doch hindurch. Endlich waren wir an dem Ufer. Ohne viele Umstände wurde das fertige Haus auf den Kellek gesetzt, und die Reise konnte losgehen.

17. Dezember. Abreise 1½ Uhr.

Rasch wurden Gepäck und Lebensmittel besorgt, und gleich nach ein Uhr konnten wir absegeln. Der Bischof begleitete uns bis Rubahi.

Durch die Strömung fortgerissen, näherte sich der Kellek rasch den Ruinen der großen Brücke, von der nur mehr ein vollständiger Bogen und ein Pfeiler sichtbar waren, zwischen denen die Trümmer eines andern Pfeilers, die unter dem Wasser verborgen waren, einen bedeutenden Strudel hervorriefen. Die Strömung selbst ist dort sehr stark und wechselt oft plötzlich die Richtung.

Der Feldmarschall Moltke litt im Jahre 1838, als er noch in türkischen Diensten war, hier Schiffbruch. Sein Kellek wurde durch den Strudel hinweggerissen und ganz von dem Wasser verschlungen.[1]

  1. Moltke, Briefe über die Türkei S. 237.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/278&oldid=- (Version vom 1.8.2018)