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das Ufer gefahren. Dadurch wird aber auch die steinerne Brücke unnötig und steht wie ein verlorenes Überbleibsel inmitten der Überschwemmung. Übrigens reicht sie nicht einmal bis zur Grenze des gewöhnlichen Hochwassers, und sehr oft wird sie von dem Hochwasser vollständig eingeschlossen. Sie dient nur in dem kurzen Zeitraum, wo man die Schiffbrücke wiederherstellt und der Tigris in sein gewöhnliches Bett zurückkehrt.

Es braucht wohl kaum hinzugefügt zu werden, daß die aus schönem Mauerwerk und Ziegelsteinen aufgeführte Brücke durchaus nicht im Stande gehalten wird; sie ist vielleicht zwanzig Jahre alt und droht schon einzustürzen.

Zu den Zugängen der Brücke drängen sich Karawanen von Kamelen und zahlreiche Herden Hammel. wenn zu den Stößen der einen und der dummen Bestürzung der andern sich noch die Verwickelungen beim Entrichten des Brückengeldes gesellen, ist das Durcheinander unbeschreiblich; so bald man die Brücke verläßt, tritt man in die Geschäfts, und Handwerkerviertel, wo sich um die Bazars die Wohnungen der Künstler häufen; stets bewegt sich hier eine dichtgedrängte Menge.

Höher hinauf sind die Straßen ruhiger; oft erscheinen sie wie ausgestorben, denn die Häuser, die die Straßen einfassen, bieten nur große Mauern, die von Zeit zu Zeit durch ein Fenster unterbrochen sind, das aber stets mit einem Muscharabi versehen ist. Es ist dies das aristokratische Viertel. Hier findet man auch Gärten, in denen heiße Quellen sprudeln; aber dies sind Heiligtümer und dem gewöhnlichen Volke zu betreten untersagt.

Die Häuser machen ihr trauriges Aussehen wieder durch eine gewisse Großartigkeit gut, die sie der Schönheit ihres Materials verdanken. Beinahe alle sind aus „Mamor von Mosul“ erbaut. Dieser Marmor oder vielmehr Alabaster wird in den Steinbrüchen des Dschebel-Maklub gefunden. leider widersteht er dem Einflusse der Witterung nicht lange.

In geschichtlicher Hinsicht kann Mosul als eine Vorstadt von Ninive betrachtet werden und reicht bis in dieselbe Zeit wie auch diese Brigantenstadt und hat mit ihr auch wahrscheinlich die Zerstörung teilen müssen. Als besondere Stadt gilt Mosul erst seit jüngerer Zeit, da man ihrer zum ersten Mal unter der mohammedanischen Herrschaft Erwähnung thut. Dennoch muß sie älteren Datums sein; denn die geographischen Bedingungen, die so viel beigetragen haben, um der Hauptstadt der Assyrer zu einer so großen Blüte zu verhelfen, machen das Vorhandensein einer Stadt in der Nähe des alten Ninive zur Notwendigkeit. Der natürliche Weg, der von dem Mittelländischen Meere zum Euphrat führt, indem er die Wüste umgeht und dann an der südlichen Basis der Vorberge von Kurdistan vorbeigeht, erreicht den Tigris bei Mosul oder doch in der Nähe der Stadt und richtet sich dann nach Sagros, um das Plateau von Iran auf „dem königlichen Wege“ zu erreichen; sogar um von Haleb nach Baghdad zu reisen, nehmen die Karawanen den Weg über Mosul, um das von den räuberischen Wüstenvölkern besetzte Wüstengebiet zu vermeiden.[1]

Auch ist Mosul die einzige bedeutende Stadt an dem mittleren Laufe des Tigris.

  1. Reclus, Géogr. IX, 423.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/292&oldid=- (Version vom 1.8.2018)