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Was das Grab des Propheten betrifft, so wird es eifersüchtig von den Mohammedanern bewacht. Der Kawaß des französischen Konsuls begleitete uns, und so gelang es uns, ohne Schwierigkeit zu dem Grabe zu kommen, das übrigens nichts Bemerkenswertes besitzt. Es besteht nur aus einem Sarkophage, der mit orientalischen Teppichen bedeckt und, wenn ich mich richtig erinnere, mit dem unvermeidlichen Turban, der auf einer Stange prangt, geschmückt ist, während zu seiner Seite riesige Kerzen stehen.

Bis jetzt hat man in dem Schutt von Nebi-Junes keine ernstliche Nachgrabungen angestellt. Man hätte das Dorf etwas weiter transportieren können, wie dies ja auch in Khorsabad geschehen ist, aber die Moschee darf nicht angerührt werden.

Die türkische Regierung wollte selbst die Ausgrabungen vornehmen. Man fand mehrere geflügelte Stiere und Basreliefs; kaum hatte man sie aber zu Tage gefördert, als man sie auch schon wieder mit Erde bedeckte, da der Transport mit einigen Schwierigkeiten verbunden war. In dem letzten Jahre wurden noch andere geflügelte Stiere entdeckt, die jedoch sofort von den Einwohnern in Stücke geschlagen wurden, um Gips daraus zu machen. An verschiedenen Stellen haben wir noch die Spuren dieses Vandalismus gesehen. Der eigene Vorteil führt die Leute dazu, denn diese Marmorkolosse liefern ausgezeichneten Gips; auch der mohammedanische Fanatismus treibt sie zum Zerstören dieser alten Götzenbilder, die mit den Vorschriften des Korans direkt im Widerspruch stehen.

Mehrere Personen haben die Engländer angeklagt, eine gewisse Anzahl Statuen, die sie nicht wegbringen konnten, zerbrochen zu haben; aber andere stellen dies in Abrede und sagen, daß die Engländer ihren Fund, der zu schwer war, um augenblicklich weggeschafft zu werden, einfach wieder von neuem vergraben haben – dies ist wohl eher anzunehmen, und wahrscheinlich haben die Engländer sich den Ort auch ganz genau gemerkt.

Die Wälle, die Brücke und die Schutthaufen von Ninive sind ungefähr das Einzige, was man in Mosul interessant nennen kann.

Aber in sozialer Hinsicht ist Mosul sehr interessant, da hier die verschiedenartigsten Elemente zu treffen sind. Zur Zeit unserer Anwesenheit war Europa nur offiziell daselbst vertreten durch den französischen Konsul Sioufi. Dieser ist in Haleb (oder Damas?) geboren und begleitete Abd-el-Kader als Dolmetscher nach Frankreich, da der Emir Napoleon III. einen Besuch machte. Bei dieser Gelegenheit wurde Sioufi als Franzose naturalisiert, und nicht lange darnach wurde er französischer Konsul. Da er selbst Orientale ist und als solcher über eine genaue Kenntnis des Landes und des Volkes verfügt, so ist er imstande, Frankreich schätzbare Dienste zu leisten. Er sowohl als auch seine Frau waren uns gegenüber sehr liebenswürdig.

Sioufi erbat für uns beim Wali eine Audienz und war so freundlich, als uns diese gewährt war, uns selbst zum Wali zu führen.

Um unserem Besuche das Gepräge einer gewissen Würde und Wichtigkeit zu geben, die ihm ja auch zukamen, organisierten wir eine kleine Kavalkade und erreichten dann den Konak. Dieser ist ein sehr großes Gebäude außerhalb der Wälle, ziemlich hoch über dem Flusse und – wie es eben nicht anders sein kann – sehr zerfallen. Die Verwaltung des Vilayets, eine Kaserne, kurz alles ist hier zusammengedrängt.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/296&oldid=- (Version vom 1.8.2018)