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Es mögen hier einige Notizen über diese Kirche folgen, von deren Bischöfen er der ausgezeichneteste ist. Die Monophysiten,[1] Gegner des Konzils von Chalcedon, hatten sich besonders auf Betreiben des Jakobus Baradai als Sekte in Syrien gebildet und sich von der römischen Kirche getrennt, aber dennoch eine vollständige Hierarchie von dem Patriarchen von Antiochia bis zu den niederen Stufen beibehalten. Diese Gemeinden erhielten sich trotz der offiziell anerkannten Kirchen (kaiserliche, melchitische), und besonders seit der mohammedanischen Einwanderung erreichten sie zuweilen eine gewisse Blüte. Sie bestehen noch heute in einer ziemlich großen Gegend in Syrien, in dem Gebirgsmassiv des Masius und in dem mittleren und unteren Becken des Euphrat und Tigris.

Von dem Ende des 18. Jahrhunderts an kehrte eine große Zahl der Monophysiten zum wahren Glauben zurück und verband sich mit der römischen Kirche; von da an zerfallen die Syrer in zwei Gruppen: die jakobitischen Syrer oder Monophysiten und die katholischen Syrer. Der katholisch-syrische Patriarch[2] Mgr. Schelhot residiert in Haleb (bez. Mardin). Seiner Kirche scheint eine glänzende Zukunft bevorzustehen.

Die Beziehungen zwischen katholischen und jakobitischen Syrern sind zuweilen gespannt. Eine Angelegenheit zwischen den beiden Kirchengemeinschaften – die allerdings sehr türkisch ist – kann davon eine Probe liefern.

Eine der syrischen Kirchen in Mosul ist simultan und wird im Innern durch eine Mauer in zwei Teile zerlegt, deren einen die Jakobiten, den andern die Katholiken besitzen. Eines schönen Tages rissen die Jakobiten die Scheidewand nieder und bemächtigten sich der ganzen Kirche. Mgr. Benni ging nach Konstantinopel und dank der Art und Weise, wie sich die Jakobiten in den Besitz der Kirche gesetzt hatten, erlangte er einen Firman, der ihm die ganze Kirche zusprach. Kaum war er mit diesem nach Mosul zurückgekehrt, als auch die Jakobiten nach Konstantinopel gingen und daselbst einen Firman auswirkten, welcher dem der Kathotholiken völlig widerspricht, weshalb sie die Katholiken von neuem austrieben. Bischof Benni will diesen Firman, wie ich glaube, annullieren lassen; aber das Schauspiel wird noch längere Zeit dauern, denn jeder Firman wird durch Backhschichs erkauft, und die Minister haben ein Interesse daran, aus dieser Angelegenheit so viel Kapital als möglich zu schlagen.

  1. Als Gegner des Nestorius übertrieb Eutyches die Lehre von der Einheit Christi. Während Nestorius schließlich zwei Personen in Christus annahm, lehrte Eutyches die Verschmelzung der beiden Naturen zu einer bloß göttlichen, in der die menschliche völlig aufgeht. Besondere Wichtigkeit hat diese Irrlehre wegen ihrer Beziehung zum Erlösungswerk. Auf dem Konzil zu Chalcedon 451 wurde seine Lehre verdammt; aber Eutyches fand großen Anhang besonders in Syrien und Ägypten.
  2. Der wirkliche Nachfolger der alten Patriarchen von Antiochia ist der griechisch-melchitische Patriarch. Das syrische Patriarchat hat einen schismatischen Ursprung und ist deshalb ungesetzlich; aber als ein Theil der Syrer zur katholischen Kirche zurückkehrte, war es nicht gut möglich, dieselben einem melchitischen Patriarchat zu unterstellen, da sie so lange eine eigene Hierarchie und eigene liturgische Sprache gehabt hatten. Rom acceptierte also die vorhandene Thatsache und erkannte ein syrisch-katholisches Patriarchat an.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/298&oldid=- (Version vom 1.8.2018)