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Reservisten ein und schickte sie zum „Schutze der Armenier“ in das bedrohte Viertel. Die Truppen erpreßten von den Armeniern bedeutende Summen. Auf ihre Mitteilung, daß nur diejenigen Armenier, die sich zum Islam bekehrten, dem Tode entgehen könnten, erfolgten Massenübertritte. Da die Behörden auf der Auslieferung der Waffen (1800 Martinigewehre und 100 Revolver) und von 10 Männern, denen die Hauptschuld am Tode Ismails beigemessen wurde, bestanden, wurden die bezeichneten Personen ausgeliefert und 1200 Stück Waffen, zu diesem Zweck meist erst angekauft, im Konak niedergelegt. Am 28. Dezember wurde der armenischen National-Versammlung in der Hauptkirche bedeutet, es sei nichts zu befürchten, alsbald darauf begann jedoch das große Blutbad. Am Morgen dieses Tages sah man Mohammedaner auf den Minarets und Frauen auf den Dächern und Basteien der Festung, wo sie auf das bevorstehende Schauspiel warteten. Auf ein gegebenes Signal begann nun eine beispiellose Schlächterei. Die unglücklichen Armenier wurden wie Schlachtvieh herbeigeschleppt und niedergemacht. Ein Scheikh schlachtete neben der protestantischen Kirche gegen 100 Armenier, die gefesselt auf dem Rücken lagen, unter Absingung von Koranversen, indem er ihnen wie Schafen nach dem Ritus von Mekka die Gurgel durchschnitt.

Unterdessen plünderte der Pöbel und steckte die Häuser in Brand. Der darauffolgende Sonntag überbot aber an Scheußlichkeiten alles Vorangegangene. Die große Hauptkirche, wo 3000 Armenier beider Geschlechter und aller Lebensalter Zuflucht gesucht hatten, wurde gestürmt und geplündert, alle Männer sofort ermordet, dann die Zugänge zu den Gallerien, wo Frauen und Kinder Zuflucht gesucht hatten, mit petroleumgetränktem Bettzeug u. s. w. verbarrikadiert und das Gotteshaus mit allen darin Befindlichen niedergebrannt. Noch zur Zeit des Aufenthaltes des englischen Delegierten (5. März) war der furchtbare Geruch des verkohlten und verwesten Menschenfleisches unerträglich. Mindestens 8000 Armenier kamen in den beiden Tagen um, darunter 126 Familien, von denen weder Frauen noch Säuglinge verschont blieben. Der angerichtete Schaden wird auf 150,000 bis 200,000 LT. geschätzt. Die Leichen der Opfer wurden in den drei dem Gemetzel folgenden Tagen von Israeliten meist bei Seite geschafft und verscharrt.

Behesni ist die einzige Ortschaft, die von Blutvergießen und Plünderungen verschont blieb, was hauptsächlich der Haltung der türkischen Notabeln unter der Führung Jakob Paschas zu danken ist. Ein kurdischer Angriff am 10. November wurde von diesen abgewehrt, türkische Truppen, die später zur Hilfe kamen, schlugen einen späteren Angriff mit Blutvergießen zurück.

Die Anzahl der Armenier, die unter den erwähnten Umständen zum Islam übergetreten sind, wird folgendermaßen beziffert: im Bezirk Biredschik 4300, in Urfa 500, in Sewerek 200, in Adiaman und Umgegend 900; insgesammt 5900. Ferner erfuhr Herr Fitzmaurice in Morasch, daß 200 armenische Familien im District Anderin und eine Menge in den Dörfen um Marasch den Glauben gewechselt haben. Da nach dem Scheri die Rückkehr vom Islam zum alten Glauben mit dem Tode zu bestrafen ist, so ist kaum daran zu denken, daß die Betreffenden sich inmitten einer fanatischen Bevölkerung, die den Behörden über den Kopf gewachsen ist, den furchtbaren Folgen eines solchen Schrittes aussetzen würden.

Schließlich ist zu bemerken, daß der Consul Fitzmaurice ausdrücklich hervorhebt, er habe Informationen aus armenischen Quellen nur dann verwendet, wenn solche durch türkische Aussagen bestätigt erschienen. Im ganzen sind gegen 65000 Personen ermordet, 2500 Städte und Dörfer verwüstet worden. (Vergl. auch die ähnlichen Vorgänge auf Kreta und in Konstantinopel.) Eine Schmach ist es jedenfalls, daß das christliche Europa solchen Greueln nicht für immer ein Ende macht. (Der Übersetzer.)

Während einer gewissen Zeit war es den Christen in Mosul verboten, zum Thore der Stadt hinauszugehen. Der Pascha hielt sie in der Stadt gefangen, weil er befürchtete, daß sie die Flucht ergriffen oder wegen der Bedrückung freiwillig auswanderten.

Im Jahre 1844 demolierten und plünderten die von ihren Mollahs (Priestern) aufgestachelten Mohammedaner von Mosul die Häuser der Missionare. Der französische Konsul, Botta mit Namen, wäre beinahe dabei getötet worden. Der Pater Valerga, der später Patriarch von Jerusalem wurde, empfing dabei einen Dolchstich.[1]

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/305&oldid=- (Version vom 22.12.2020)
  1. Prop. de la Foi XVI. 522