Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/317

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die Verachtung seitens der Muselmanen mit gleicher Münze. Da sie mit den Christen Leiden und Verfolgungen teilen müssen, so sind ihre Beziehungen zu diesen nicht gerade so schwierig. Aber sie sind immer und überall unangenehme Nachbarn.

Auf der Reife nach Rabban-Hormis.
Abreise 7¾ Uhr.

Der Himmel ist bewölkt, und ein kalter, scharfer Ostwind begleitet uns auf der ganzen Tour.

Überall scheint das Land sehr fruchtbar zu sein; man bewässert es mit wenig Kosten. Aber die Arme zum Arbeiten fehlen, und ohne Aufhören begegnet man den Spuren zerstörter Dörfer.

Die Reise über dieses thonige Terrain ist sehr unangenehm, weil die Pferde oft in unsichtbare Löcher, die mit einer dünnen Schicht Erde bedeckt sind, versinken. Ich vermute, daß diese unterirdischen Höhlen durch die starken Regen hervorgebracht werden, wobei das Wasser in den Boden sickert und die leicht zerreibbaren Bestandteile des Bodens verschiebt und so die obere Lage ohne jede Stütze als die der Pflanzenwurzeln läßt. In jedem Falle muß man mit großer Vorsicht reisen, wenn man die Pferde keiner Gefahr aussetzen will.

Wir überschritten bald eine Hügelreihe – die letzten, wellenförmigen Ausläufer des Dschebel-Maklub, dann noch eine lange Ebene und erreichten das Kloster der Jungfrau, das ungefähr drei Viertelstunden östlich von Alkosch liegt.

Ankunft 2 Uhr 15 Min.

Das schöne Kloster, für den Orient sogar sehr schön zu nennen, wurde erbaut, oder besser gesagt, wieder erbaut in jüngster Zeit. Denn 1842 wurde es von den Horden Muhameds, des kurdischen Bens von Revanduz, dessen oben Erwähnung geschah, überfallen. alles im Kloster wurde geplündert oder zerstört. Mehrere Mönche starben im Kerker in Ahmedschyah.

Das Portal des Klosters ist eine sehr schöne Probe des modernen, ornamentalen Stiles. Das innere Kloster bildet ein großes Viereck von ungefähr fünfundzwanzig Metern Seitenlänge. Die Galerien haben sechseckige, massive Säulen und gotische Bogengewölbe. Die Kirche öffnet sich nach dem Kloster durch einen Portikus, der die Form eines Iwans hat.

Die Mönche gehören der Kongregation des heiligen Hormisdas, des einzigen Heiligen von chaldäischem Ritus, an. Die Kongregation war drei Jahrhunderte lang erloschen und wurde gegen 1808 wieder ins Leben gerufen; sie hat viel geleistet für die Bekehrung der entlegensten nestorianischen Gegenden.

30. Dezember.

Das Kloster der Jungfrau liegt am Eingange einer wilden Schlucht, die von hohen Bergen umgeben ist, und wo die Stille nur durch außerordentlich starke Echos unterbrochen wird. Im Hintergrunde dieser Schlucht, ungefähr fünfunddreißig Minuten vom Weg ab, liegt das wirkliche Kloster von Rabban-Hormis.

Dieses Gebäude befindet sich hoch oben auf einem Felsvorsprung am Fuße einer Felsenklippe. Bloß die Kirche, ein viereckiger Bau, der eher einer Festung als einem Heiligtum ähnlich sieht, zieht allein die Blicke auf sich. Das Kloster läßt sich erst im letzten Augenblick vermuten, da es fast ganz unterirdisch ist.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)