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Langsamkeit, da die Strömung schwach war und der Wind uns entgegen wehte.

Wir bemerkten gegen Abend eine Segelbarke den Fluß hinauffahren – die erste, die wir sahen. Als wir am andern Morgen aufwachten, waren wir an der Schiffbrücke von Kadhmeïn angelangt, zwei Stunden oberhalb Baghdad; der Ort besitzt reizende Gärten mit hohen Palmen und einem Unterholz von Granatbäumen und Orangen, die den Fluß einfassen. Auf der Brücke ist der Verkehr sehr lebhaft; auf dem Wasser bemerkten wir eine Menge Kuffehs, ganz merkwürdige Fahrzeuge. Da ich keinen bessern Ausdruck habe, so bezeichne ich die Kuffehs als Barken; in Wirklichkeit sind sie aber große, runde Körbe aus Fasern des Palmbaumes angefertigt und sorgfältig mit Erdharz verklebt.[1] Das Fahrzeug ist außerordentlich leicht, aber in Anbetracht seiner Form sehr schlecht zu lenken. Die Ruderer müssen eine große Kraft anwenden, um es vorwärts zu bringen; auch müssen sie gut aufpassen, daß die Kuffeh sich nicht um sich selbst dreht, wozu sie stets große Neigung zeigt.

Kiamantschas aus dem südlichen Kurdistan.

Unterhalb Kadhmeïn fassen unaufhörlich Palmenwälder den Fluß ein. Endlich kamen wir an das Ende unserer Schiffahrt, und nach einer Krümmung des Flusses bot sich das reizende Panorama Baghdads, wie es sich mit seinen Minarets und Palmbäumen in dem Wasser des Tigris spiegelt, unsern Augen dar.

Die Stadt badet wirklich in dem Flusse, von wo aus sie langsam bergan steigt. Auf der Brücke ging es lebhaft zu; die Kleidung der Einwohner ist malerisch zu nennen. Das Landen geschah inmitten einer Menge Kuffehs, deren jedes einen lästigen Bittsteller besitzt.

Ich empfand beim Eintritt in Baghdad weniger Täuschung als bei den anderen orientalischen Städten. Man fühlt sich hier gleich in einem Zentrum, in einer alten Hauptstadt. Die Bazars, obgleich wegen des Freitags weniger belebt als sonst, sind sehr schön.

Die Karmeliterpatres, die bereits von unserer Ankunft benachrichtigt worden waren, boten uns eine angenehme Gastfreundschaft. Mag die Reise im Kellek auch noch so malerisch sein, nachdem man sie aber acht Tage lang gemacht hat, freut man sich doch, wenn man wieder festen Boden unter den Füßen hat.

  1. Herodot beschreibt schon die Kuffehs; auch der Kellek war schon ein Fahrzeug der alten Assyrer. Neben dem Kellen gebrauchten sie jedoch auch viele vervollkommnete Barken mit Rudern und Segel. Vergl. Lenormand Babelon V. 132. Botta, Les monuments de Ninive Pl. 33,24 ff. Nach Herodot scheint es, daß die Kuffehs mehr in dem obern Thale des Tigris gebräuchlich gewesen sind, während wir die ersten in Samarra sahen.
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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/337&oldid=- (Version vom 1.8.2018)