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Zuweilen findet man die Troika als Hauptbeförderungsmittel der Reisenden angegeben. Doch ist diese Bezeichnung ziemlich ungenau. Das Gespann heißt Troika, wenn es, wie gewöhnlich, aus drei Pferden besteht. Von dem Gespann hat also der Wagen den Namen bekommen. Dieses Dreigespann kommt aber sowohl bei der Perekladnoi als auch bei der Kaliaska vor. Eine besondere Eigentümlichkeit hinsichtlich des Gespannes besteht noch darin, daß nach russischer Anschauung nur die Vornehmen ihre Pferde vor einander spannen dürfen. Die gewöhnlichen Sterblichen befestigen ihre Pferde neben einander. So kommt es, daß man zuweilen fünf oder sechs Pferde in einer Reihe an einem Wagen neben einander laufen sieht. Die Militärstraße von Georgien durchschneidet den Kaukasus von Tiflis nach Wladikawkas an der Stelle, wo die Gebirgskette am schmälsten ist. Selbst da ist die Kette über 100 Kilometer breit; aber in dem westlichen Teile des Kaukasus ist die Breite doppelt so groß, während sie östlich von der Heerstraße mehr als die doppelte Ausdehnung annimmt.

Der Weg von Tiflis durch Kabarda nach Wladikawkas ist zu allen Zeiten der Hauptverbindungsweg durch den Kaukasus gewesen. Darum versteht es sich auch von selbst, daß die Russen sofort davon Besitz genommen haben. Die gegenwärtige Straße ist von dem Fürsten Bariatinski angelegt worden. Sie hat eine Länge von beiläufig 200 Wersten (213 Kilometer) und einen Kostenaufwand von ungefähr achtzig Millionen Mark erfordert. Die außergewöhnliche Wichtigkeit dieser Straße erklärt ihre vorzügliche Instandhaltung, die man sonst bei den russischen Straßen zu sehr vermißt. Von Tiflis bis Wladikawkas gibt es zwölf Poststationen, von denen als die erträglichsten Tsilkane, Mleth und Kasbeck für den Fall einer Übernachtung in Betracht kommen.

Die russischen Poststationen sind sehr ungleichmäßig eingerichtet. Die an der eben erwähnten Heerstraße unterscheiden sich durch nichts von Herbergen der gewöhnlichsten Art. Man findet daselbst Zimmer, Betten und, wenn man es genau nimmt, auch Bettzeug. In dem „Saale“ des Erdgeschosses brennt beständig der Samovar. In Hinsicht auf Essen und Trinken sind die Verhältnisse sehr bescheiden, doch braucht man nicht zu verhungern. Auf anderen Strecken, z. B. auf der von Eriwan nach Nakhitschewan sind die Poststationen noch viel erbärmlicher eingerichtet. Gewöhnlich bestehen sie aus zwei gekälkten Zimmern, deren Wände mit dem Bildnis seiner „Heiligen Majestät“ geschmückt sind. Das eine dieser Zimmer ist für die Männer, das andere für die Frauen bestimmt. Der Postmeister besitzt dann noch ein drittes Zimmer, das zu gleicher Zeit als Küche dienen muß. Längs der Wände befinden sich die Betten. Der Name ist eigentlich viel zu gut für diese hölzernen Bänke, deren jede mit einer schiefen Ebene versehen ist, die das Kopfkissen ersetzen soll. Da von Bettwäsche keine Rede sein kann, ist jeder Reisende darauf angewiesen, selbst die nötigen Sachen mit sich zu schleppen. Wir schlugen regelmäßig unser Feldbett auf. Auf diesen Poststationen findet man gewöhnlich auch nichts zu essen, und man ist gezwungen, in den baufälligen Hütten der nächsten Dörfer Umschau zu halten; besser ist es freilich, wenn man den erforderlichen Mundvorrat von der nächsten Stadt mitnimmt. Dann darf aber auch nicht verschwiegen werden, daß man selbst sich das Essen bereiten muß, wenn man nicht so vorsichtig gewesen ist, einen Diener mitzunehmen, der etwas vom Kochen versteht.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)