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Maria Joseph. Zwar läßt die innere Dekoration hinsichtlich des Geschmackes zu wünschen übrig; aber die Kuppel, die eine Höhe von sechsunddreißig Metern hat, ist wenigstem für dieses Land ein außerordentliches schönes Bauwerk. Die Kuppel wurde (wie es wohl bei allen Kuppeln der dortigen Gegend ist) ohne jegliches Gerüst aufgeführt. Hat ein Ziegel die richtige Lage, so hält ein Kind denselben einige Augenblicke lang fest. wegen der Trockenheit der Luft wird der Mörtel sofort hart, und die Arbeit kann ohne Unterbrechung weiter gehen. Da ich nicht gesehen habe, daß man auf diese Weise arbeitet, so war ich anfänglich geneigt, die Sache nicht zu glauben. Aber das Ganze ist mir von sehr glaubwürdigen Leuten auf das festeste versichert worden, so daß ich es ohne weitere Bemerkungen hier anführe.

Wir machten in Baghdad auch die Bekanntschaft des chaldäischen Patriarchen Elias Abolianan. Es ist dies ein Mann in der Kraft seiner Jahre, von schöner Statur und vornehmen Manieren. Seine Unterhaltung ist sehr interessant; aber in der Zurückhaltung bemerkt man gleich, daß er gewöhnt ist, in seiner Amtsführung vielen Schwierigkeiten zu begegnen. Bei unserer Anwesenheit beschäftigte ihn die Frage der Glaubensspaltung viel.[1] Nach wenigen Tagen wurde er schon offener gegen uns, und wir waren beim Verlassen Baghdads von seiner Aufnahme ganz entzückt.

Der französische Konsul M. de Sarzec war abwesend, weshalb sein Vertreter Poignon die Konsulatsgeschäfte besorgte.

Als ein hervorragender Assyriologe ist dieser Poignon gerade hier an seiner richtigen Stelle,[2] und er wird zweifellos der Wissenschaft noch manchen wichtigen Dienst leisten. Leider ist die schönste Zeit für die Ausgrabungen vorbei. Angetrieben durch den Nachahmungstrieb oder die Eifersucht hat die Türkei befohlen, daß künftighin den Forschern, die auch durch einen Firman die Erlaubnis zum Nachgraben haben, nicht mehr gestattet sei, die von ihnen entdeckten Gegenstände nach Europa mitzunehmen. Sie können wohl einen Abguß herstellen, aber die Originale müssen in das Museum nach Konstantinopel wandern.

Wir haben dieses Museum im Alten Serail gesehen. Der Anfang davon ist wirklich gut gewesen, aber jetzt genügen die Gebäulichkeiten nicht mehr, und um neue Gebäude aufzuführen, fehlt es dem „kranken Manne“ an dem notwendigen Geld. Daher kommt es, daß die schönsten und wertvollsten Sachen bunt durcheinander liegen in den Höfen, wo sie sehr Gefahr laufen zu zerfallen oder verloren zu gehen.

In der Praxis hat übrigens das Gesetz nur die Exportation der Altertümer teilweise verhindern können. In gewissen Fällen hat man einen Kompromiß mit dem Gouvernement geschlossen, wobei man der Regierung die anscheinend am wertvollsten Sachen überließ, nämlich die größten, und die andern dann ruhig mitnahm. In andern Fällen, und dies ist das gewöhnliche Verfahren, hängt die Umgehung des Verbotes lediglich von dem Backhschich ab. Besonders sind die Engländer

  1. Wie schon in der Fußnote Seite 277 erwähnt worden ist, hat diese Frage durch den geschickten Eifer des Patriarchen ihre Lösung gefunden.
  2. Er wurde später zum Titularkonsul von Baghdad ernannt.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/349&oldid=- (Version vom 1.8.2018)