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Die Atmosphäre ist dort so trocken, daß Teile des Holzwerkes aus Libanonzedern sich unversehrt erhalten haben. Der Kassierer des Schiffes, H. Swoboda, hatte die Freundlichkeit, uns ein Stück dieser ehrwürdigen Altertümer zu schenken.

Der so schön begonnene Tag wurde bald langweilig, da die Ufer den Blick auf die Ebene hemmten.

Zweimal fuhr der Khalifah auf und warf bei einbrechender Nacht Anker.

26. Januar.

Der Wind wehte den ganzen Morgen sehr stark; wir begegneten dem zweiten englischen Schiff, dem Medschidieh, das zu Berg fuhr. Herden von Kamelen kamen zur Tränke an den Fluß und unterbrachen in etwa die Einförmigkeit der Landschaft. Wir fuhren bald zum dritten Male auf.

Beim Einbruch der Nacht kreuzten wir mit dem türkischen Dampfer;[1] durch ein verkehrtes Zeichen des Wachtoffiziers hatten wir den armen Dampfer beinahe durchgerannt, auf dem alles schrie und den Kopf verloren zu haben schien.

Gegen ein Uhr des Morgens fuhren wir von neuem auf eine Sandbank; infolgedessen wurde gestoppt bis sechs Uhr.

27. Januar.

Die Ufer werden flacher, und von dem Deck kann man die Wüste übersehen; bei hellerem Wetter hat man eine schöne Aussicht auf die Berge von Luristan, von denen wir nur einige unbestimmte Umrisse und phantastische Linien bemerkten. Der Fluß wird bald viel enger und tiefer; eine Biegung des Flusses ist so scharf, daß der Khalifah sie nicht anders umfahren kann, als daß er zwei Anker wirft und die Schiffswinde gebraucht.

Es ist bemerkenswert, daß bei Baghdad der Tigris durch mehrere Kanäle Wasser aus dem Euphrat erhält. Unterhalb Kut-el-Amara ist es gerade umgekehrt; hier läßt der Tigris dem Euphrat einen Teil seines Wassers zukommen.

Dieser gegenseitige Austausch von Wasser muß früher eine unschätzbare Wohlthat für die Kultur des Landes gewesen sein. Heute sind die alten Kanäle halb verschüttet und gewöhnlich trocken; bloß bei Hochwasser füllen sie sich noch, aber weniger um das Land zu bewässern, als um dasselbe durch den Gestank ihres Schlammes zu verpesten.

Eine Kolonie von Tel-Keïsiern hat sich auf dem rechten Ufer des Flusses angesiedelt ein wenig oberhalb Amaras; sie hat Freunde, vielleicht auch Verwandte unter den Matrosen des Khalifah. Indem wir dort vorbeifuhren, hemmte der Dampfer seine Geschwindigkeit und näherte sich dem Ufer.

Bald waren lebhafte Unterhandlungen im Gange; plötzlich wie auf ein gegebenes Zeichen eröffneten die Matrosen gegen ihre Landsleute ein lebhaftes Feuer von Orangen und Granaten, eine neue Kampfart, die sich unter allerlei Pantominen fortsetzte, und wobei die Kolonisten sich freuten, die Besiegten zu sein. Gerade inmitten dieser menschenleeren Ufer hatte diese Szene einen besondern Wert.

Endlich waren wir in Amara. Wir sahen einige Gärten, deren Sträucher und Palmen sich in dem ruhigen Strome spiegelten, einige Kähne und ein paar Häuser in dem Nebel des Abends.

  1. Die türkische Gesellschaft hat drei schmutzige und unappetitliche Dampfer.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/360&oldid=- (Version vom 14.12.2022)