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und treiben Ackerbau. Die Feuchtigkeit ihres Landes gestattet ihnen nur den Anbau des Reis. Die nomadischen Stämme verachten die Ackerbau treibenden und beschuldigen sie – ob mit Recht oder Unrecht, weiß ich nicht – sehr schlechter Sitten.

Man erzählte uns, daß die Araber im allgemeinen im Punkte der Sittlichkeit sehr streng sind. Leider muß gewöhnlich, wenn eine Skandalgeschichte vorkommt, die Frau stets die Folgen tragen. Es ist eine allgemeine bekannte Sache, daß eine verdächtige Frauensperson verschwinden muß, selbst wenn sie nicht öffentlich getötet wird. Bei seiner letzten Reise brachte der Medschidieh, als er in Baghdad die Anker warf, noch einen Sack mit, der den Leichnam einer Frau enthielt, die wahrscheinlich auf solche Weise ums Leben gekommen war.

28. Januar.

Am folgenden Morgen mußten wir mehrere Stunden liegen bleiben, da der Nebel zu stark war.

Die Ufer des Flusses werden immer sumpfiger. Oft sieht man am Ufer Leute der erwähnten Völkerschaft, die mit Drainagearbeiten beschäftigt sind. Es sind schöne Leute, halbnackt, mit geradezu klassischen Formen.

Von der Brücke des Khalifah aus bemerkten wir zahlreiche Rudel Wildschweine. Eine sehr große Bache lief mit ihren Frischlingen mit dem Schiff in die Wette. Ein Feuern blieb leider erfolglos, da das Schiff zu schnell fuhr. In der Ferne sahen wir Züge von Kranichen und anderen Wasservögeln.

Gegen Mittag erschien bei einer Biegung des Flusses die reizende Oase el’ Oseïr; eine kleine Moschee mit einer Kuppel, die mit grüner Fayence bekleidet ist, spiegelt sich in dem Flusse inmitten eines Waldes aus Palmbäumen. Hier soll sich das Grab des Esdras befinden.

Bei Korna (in dortiger Gegend Gorna ausgesprochen) vereinigen sich in einem Palmenwalde der Euphrat und Tigris, um den Schatt-el-Arab zu bilden. Beide Flüsse bilden einen majestätischen Strom von ansehnlicher Breite und Tiefe. Der Schatt hat beinahe kein Gefäll, und die Flut reicht bis jenseits Korna. Wir konnten gerade die Ebbe benützen und kamen darum um so rascher vorwärts.

Gegen neun Uhr abends kamen wir in Basra an.

29. Januar.

Diesen Morgen kam Herr Djaboury (Gabriel) Asfar uns an Bord des Schiffes suchen. Wir hatten seine Familie in Baghdad gesehen, und er wollte uns großmütig seine Gastfreundschaft erzeigen, die allen Reisenden, die Basra passierten, wohl bekannt ist. Asfar hat seine Erziehung bei den Karmelitern in Baghdad erhalten. Er ist ein eifriger Christ und Hauptgeschäftsmann. Wiewohl er niemals in Europa gewesen ist, ist er doch mit den europäischen Verhältnissen sehr vertraut. Jedes Jahr mietet er eine große Zahl Schiffe, sowohl um seine eigenen Waaren zu transportieren als auch um Kommissionen auszuführen. Zur Zeit der Dattelernte beschäftigt er während zweier Monate bis zweitausend Arbeiter.

Sein Haus ist sehr groß; das Erdgeschoß dient als Warenlager. In dem Hofe waren die Arbeiter mit dem Verpacken der Datteln in Kisten beschäftigt. Jede Nacht patrouillieren zehn gut bewaffnete Männer um die Magazine herum, denn Spitzbuben giebt es auch hier in Menge.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/364&oldid=- (Version vom 1.8.2018)