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In Basra haben die Eifersüchteleien zwischen dem chaldäischen und syrischen Ritus zu einem bedauerlichen Zwiespalt geführt. Kaum sind die Christen in Basra zusammen so zahlreich, daß sie eine Kirche und eine Schule füllen. Nun hat jede Gemeinde eine Kirche und eine Schule, weil sich die Chaldäer von den andern abgesondert und eine eigene Schule und Kirche erbaut haben. Bei den geringen Hilfsmitteln ist eine solche Verschwendung um so mehr zu beklagen. Diese Absonderung ist leider ein Hauptzug in dem Charakter der Orientalen.

Der Dampfer, der uns nach Bombay bringen sollte, die Arabia, gehörte der Company of British India. Er war alt und klein, in einer Zeit erbaut, wo man mehr darauf bedacht war, die Passagiere gut unterzubringen, als möglichst viele Reisende mitzunehmen.

Während er seine Fracht aufnimmt, wollen wir uns ein wenig zurückziehen, um noch einige zerstreute Erinnerungen zu sammeln und von der türkischen Regierung zu plaudern.

Eines der größten Laster der türkischen Regierung ist die Käuflichkeit der Ämter. Sie werden alle gekauft, wenn auch nicht öffentlich, so doch unter der Hand. Dieses ist das erste Übel.

Das zweite Übel besteht darin, daß die Beamten keine sichere Zukunft haben; irgend eine Laune kann jederzeit ihre Entlassung zur Folge haben.

Durch die großen Ausgaben, die sie in der Form von Geschenken machen mußten oder um ihr Einkommen zu ergänzen oder auch um sich für schlimme Fälle einen Reservefonds anzulegen, sind diese Beamten fast alle zur Unterschlagung oder Erpressung gezwungen. Nehmen wir zum Beispiel den Wali von Mosul, der als ein sehr ehrlicher Mann gilt. Um seine Stelle zu erlangen, hat er viel Geld ausgeben müssen. Acht Monate später wurde er ohne Anspruch auf Pension entlassen und hatte nicht einmal das Recht, unentgeltlich nach Konstantinopel zurückzukehren. Alle aber sagen, daß er in den acht Monaten doch zu seinem ausgelegten Geld gekommen ist und schon einige, wenn auch geringe, Ersparnisse gemacht hat, und dies in acht Monaten.

Jeder Beamte ist derselben Absetzung ausgesetzt; deshalb beeilt er sich, aus allem Kapital zu schlagen. Nachdem er sich einmal daran gewöhnt hat, fällt es ihm schwer, davon zu lassen. Ist es nicht besser, das Geschäft, so lange als es geht, fortzusetzen? Zudem kennen die Protektoren die Stellen ihrer Schützlinge genau hinsichtlich des Einkommens; von Zeit zu Zeit machen sie ihm ganz deutliche Anspielungen, auf die er durch das Senden eines Backhschichs antwortet, wenn er seine Stelle nicht verlieren will.

Ich habe bereits erwähnt, daß jedes ernsthafte Unternehmen in der Türkei einfach unmöglich ist; so ist es bis jetzt gewesen, und so wird es auch bleiben. Der Türke ist ein großer Eroberer gewesen, aber er besaß nie Sinn für eine ordentliche Verwaltung. Die Verwaltungsmaschine ist immer in schlechtem Zustande gewesen; es fehlt an einem Sultan, der sie in Gang brächte. Sobald dieser aber verschwunden sein wird, geht alles nach der alten Schablone.

Die Straße von Mosul nach Diarbekr hat dasselbe Schicksal erlitten wie die von Wan nach Erserum. Sind einige Kilometer vollendet, so wird die Straße feierlich eröffnet, schöne Berichte rechtfertigen den Verbrauch des Geldes, und dabei

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/368&oldid=- (Version vom 1.8.2018)