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also nicht zu erstaunen, wenn man liest, daß in den kaiserlichen Palästen jeden Tag 2000 bis 3000 Pfund Fische, beinahe 18000 Pfund Brot, 2000 Pfund Reis für den unvermeidlichen Pilau, 600 Pfund Zucker verbraucht werden, ohne von dem Fleisch, dem Gemüse, den getrockneten oder frischen Fruchten, den Spezereiwaren, den Zuckersachen und Bonbons zu reden. Diese Thatsachen erklären gleichzeitig, wie es möglich ist, daß eine Zivilliste von achtzig Millionen Mark kaum den Bedürfnissen des Sultans genügt.“[1]

Neben den Ausgaben für seinen Harem giebt der Sultan, der großmütig – um nicht zu sagen verschwenderisch – ist, für Geschenke und gute Werke noch enorme Summen aus. Um all diese Ausgaben bestreiten zu können, benützt er jede Gelegenheit etwas zu erwerben und scheut sich nicht, von seinen Unterthanen Geschenke anzunehmen, die zum wenigsten einen Herrscher sehr bloßstellen.

Um ihre Einnahmen zu vergrößern, sind die letzten Sultane, Abd-ul-Hamid besonders, bemüht gewesen, die kaiserlichen Güter durch vorteilhafte Erwerbungen zu vergrößern, was ihnen auch nach Wunsch gelungen ist. Angenommen, Seine Majestät will etwas ankaufen; kann ein treuer Unterthan noch einen Augenblick zögern, seinem gnädigsten Herrn die günstigsten Bedingungen zu stellen, besonders wenn dieser gnädigste Herr auch imstande ist, sich den Gegenstand anzueignen, ohne überhaupt etwas dafür zu bezahlen?

Darum haben sich diese Domänen auch so ungeheuer vergrößert; in dem einzigen Vilayet von Mosul übersteigen die Revenuen des Sultans allein 600000 Mark. Man rechnet, daß die Hälfte des Vilayets von Baghdad allein dem Sultan als Privateigentum gehört. Man hat auch dafür Sorge getragen, daß überall die besten Ländereien dazu gewählt wurden, und es ist bemerkenswert, die Revenuen dieser Domänen gehen viel pünktlicher ein als die des Reiches. Leider fließen sie alle in die Privatkasse des Sultans, schädigen dagegen um so mehr den Staatsschatz.

Was die Kaufbedingungen betrifft, so grenzen sie ans Unglaubliche. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Kaufpreis der Ländereien der Hälfte des jährlichen Ertrages gleichkommt, mit anderen Worten, ein Landstück, das jährlich ungefähr tausend Mark reinen Gewinn abwirft, wird für fünfhundert Mark verkauft. Damit stimmt auch überein, was einer meiner Korrespondenten, ein sehr zuverlässiger Mann, mir schrieb: „Was die von Sr. Majestät, unserm erlauchten Souverän, dem Sultan Abd-ul-Hamid, gekauften Ländereien betrifft, so hält es sehr schwer, deren Zahl oder Ertrag zu erfahren, noch schwerer aber auszukundschaften, zu welchem Preise sie angekauft worden sind. Ich gebe Ihnen bloß ein einziges Beispiel, das jedermann bekannt ist, und wonach Sie urteilen können. Das Gut, genannt El Dschehalla in dem Sandschak von Amara gelegen in dem Vilayet von Basra ist für 5000 türkische Lire gekauft worden, bringt aber jährlich 25000 türkische Lire ein. Viele andere Güter sind nach dem Ankauf verbessert worden, bringen aber noch keine solch glänzende Resultate.“ Man behauptet, daß die Eigentümer, die nach dem „Verkauf“ ihrer Ländereien an den Sultan auf ihrem frühern Gute als Pächter bleiben, sich bei dem Wechsel doch nicht sehr schlecht stehen, denn da sie Zinspflichtige des Sultans selbst sind, brauchen sie nicht mehr so viele

  1. Correspondant, 10. März 1891. Seite 845.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/370&oldid=- (Version vom 1.8.2018)