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Stöße in etwa zu paralysieren. Denn wer es nicht erlebt hat, kann sich keine Vorstellung von der Unordnung machen, die herrscht, wenn das Gepäck auf diese Weise etliche hundert Werste lang geschüttelt worden ist.

Der Eisenbahnzug von Batum nach Baku soll in Tiflis gegen zehn Uhr des Abends einlaufen. Aber in Transkaukasien fährt täglich in jeder Richtung bloß ein einziger Zug, und deshalb sind die Verspätungen unberechenbar. Das Gewühl in den Bahnhöfen spottet jeder Beschreibung und war auch wahrscheinlich schuld, daß wir einen unserer Koffer verloren, der u. a. unser Reisefernrohr, Bücher und Papiere enthielt. Wir bemerkten den Verlust erst in Akstafa, von wo aus wir nun verschiedene Depeschen vergeblich losließen.

10. September.

Nachdem wir gegen zwei Uhr des Morgens in Akstafa angekommen waren, war unsere erste Sorge die, irgend eine Ecke in dem Posthause zu entdecken, wo wir uns hinlegen konnten. Um sieben Uhr brachen wir auf nach Armenien.

Die Straße durch das Thal von Akstafa ist die Hauptstraße zwischen Tiflis, Armenien und Persien. Sie teilt sich in Delidschan. Der rechte Arm geht nach Alexandrapol und Kars, der linke überschreitet den Paß des Kiomiorlü (auch genannt Escheck-Meidan, zu deutsch: Eselsplatz) um Eriwan und das Thal des Aras zu erreichen.

Die Hügel fangen bei der Poststation in Akstafa an; bald nähern sie sich, und der Akstafafluß rinnt zwischen hohen Kalkschichten hindurch, welche die beiden steilen Abhänge des Thales bedecken, während die Hauptmasse bis zur Station Karawanserai doch vulkanischer Natur bleibt. Auf den nächsten Hügeln ist das Gras versengt, aber bald kommen wir zu bewaldeten Bergen, welche die Landschaft den unserigen ähnlich erscheinen lassen. Das Wetter war trübe.

An der Zollbarriere – auf allen gebauten Straßen muß bezahlt werden – wollte der Beamte uns um einen Rubel bestehlen. Ländlich, sittlich!

Die letzten vierzig Werste von Akstafan bis Karawanserai legten wir ziemlich rasch zurück, so daß wir in aller Ruhe auf dieser letzten Station zu Mittag essen konnten. Es blieb uns nur mehr eine Station zwischen Karawanserai und Delidschan, so daß wir dachten, pünktlich das Ziel zu erreichen; aber an der Poststation von Tarstschaisk gab es wieder, wie so oft, Aufenthalt, weil keine Pferde da waren. Wir mußten uns ruhig in unser Schicksal ergeben.

Von Karawanserai an ist die Landschaft wilder und das Thal enger geworden. An den Ufern des Flusses wachsen Ulmen, während die Abhänge der Berge mit Thuyas bedeckt sind. In dem englischen Kolumbien ist die Thuya die Königin der Wälder. Hier aber scheint sie langsamer zu wachsen; sie sieht bleicher aus, und ihr zerrissener Stamm ist nicht dazu angethan, die Schönheit der Landschaft zu erhöhen. Die Thuya ist übrigens der erste Nadelholzbaum, den wir im Kaukasus antrafen.

Zwischen den beiden ersten Poststationen sahen wir an demselben Tage auf den Drähten des Indoeuropäischen Telegraphs eine Menge smaragdgrüner Vögel, die uns später nicht mehr zu Gesicht kamen. Dieser Telegraph war nun unser Begleiter bis Dschulfa, das wir mit Einbruch der Nacht erreichten.[1]

  1. Der Indo-Europäische Telegraph ist ein rein englisches Unternehmen. Von Karratschi bis zum persischen Meerbusen liegt er im Meere; von da geht er über Schiras, Ispahan, Teheran, Tebris, Dschulfa, Eriwan, Tiflis, Jekatherinadar, Kertsch etc. Die Linie ist sehr solide gebaut und wird in gutem Zustande erhalten. Die Pfosten sind aus Eisen, und jede Neigung wird sofort ausgebessert. Die russische Linie, die dieser parallel läuft, macht dagegen einen armseligen Eindruck.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)