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zum Dorfe Tschamakapert zu gehen, wo wir ohne Zweifel die Barke antreffen würden. Der Geistliche des kleinen Dorfes empfing uns in sehr liebenswürdiger Weise; während man die Barke in stand setzte, bot er uns ein kleines Frühstück aus Yoghurt an. Yoghurt ist eine Art saurer Milch, deren Zubereitung später erwähnt werden wird.

Die Überfahrt von dem Dorfe zu der Insel macht einer guten Barke keine Schwierigkeit; aber bei unserer Barke mit ihren armseligen Rudern war es schon mehr ein Kunststück. Ein widriger Wind und das dadurch verursachte starke Schaukeln machten alle Anstrengungen der Ruderer vergeblich, so daß wir gezwungen waren, den Nachen dem Ufer entlang zu schleppen, bis wir der Insel gerade gegen über waren. Enten und Scharben sahen uns sehr erstaunt an und schienen an dergleichen Störungen nicht gewöhnt zu sein.

Die Gebäude des Klosters, die nur aus einem einfachen Erdgeschoß bestehen, bilden ein Trapez und sind mit Stroh gedeckt. Das Ganze macht einen armseligen Eindruck.

Die Mönche, georgische Armenier, sind einfache, gutmütige Leute. Sie erziehen unentgeltlich einige Kinder, was ihnen bei ihrer Armut aber kaum länger möglich sein wird.

Auf dem höchsten Punkt der Insel finden sich zwei alte Kirchen, die augenscheinlich öfters ausgebessert worden sind, aber doch kein besonderes Interesse einflößen können. Ganz an der Seite befinden sich die Ruinen des alten Klosters, die einige gut erhaltene in Holz geschnitzte Kapitäle aufweisen.

Die Mönche waren von unserem Besuche sehr erfreut und bewirteten uns. Das einzig Genießbare, was wirklich so genannt werden kann, sind Forellen, die hier im See massenhaft vorkommen und die an der Sonne getrocknet werden.

Das Kloster von Sewenga war im neunten und zehnten Jahrhundert sehr angesehen, was schon daraus hervorgeht, daß seine Vorsteher den Patriarchen von Etschmyadsin den Rang streitig machten.

In der ersten Zeit nach der Eroberung des Landes durch die Araber nahm Merwan, der später Khalife wurde, auf der Insel seinen Zufluchtsort, da er Armenien als „Osdigan“ verwaltete (742). Dem wilden Eroberer folgten die friedlichen Mönche und bauten aus den Ruinen seiner Festung ihr Kloster.

Von dem Kloster kehrten wir nach Tschamakapert zurück, von wo aus wir im Wagen bis zur Poststation von Akhta fuhren. Auf dieser Tour genossen wir den Anblick eines schönen Sonnenunterganges, der die eintönigen Farben dieser unermeßlichen Einsamkeit etwas belebte.

Elenofka befindet sich an der Stelle, wo die vulkanischen Berge, die den See an seiner Südseite einfassen, sich mit den Porphyrfelsen von Eschek-Meidan vereinigen. Hier befindet sich auch der einzige Abfluß des Sees, der Sengabach, der in der Richtung auf Eriwan zu fließt.

Elenofka ist ein kleines, unbedeutendes Dorf. Einige Bedeutung erhält es allerdings durch den Umstand, daß es vielleicht der Ort ist, an den sich eine Legende knüpft, die Marco Polo, jener bekannte italienische Reisende, folgendermaßen erzählt: In Georgien giebt es noch ein Nonnenkloster, das den Namen des heiligen Leonhard führt. Bei der Kirche liegt ein großer See, worin man das ganze Jahr keinen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)