Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/57

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einfach. Der Gouverneur bewohnt eine kleine, bescheidene Villa, deren Zimmerwände sämtlich gekalkt sind.

Der General Schalikoff ist schon alt, sehr kurzsichtig und ganz einfach in seinem Benehmen. Er empfing uns mit großer Liebenswürdigkeit und lud uns ein, zwei Stunden später mit ihm zu frühstücken. Dadurch hatten wir genügend Zeit, die alten Ruinen eingehend zu besichtigen.

Diese Ruinen bestehen aus einer beträchtlichen Gruppe religiösen Zwecken dienender Gebäude und einem etwas abseits liegenden Betsaal. Die bedeutendste dieser halbzerfallenen[WS 1] Kirchen wurde 1033 unter der Herrschaft Gogiks durch einen gewissen Kirikor Magistros gebaut. Sie setzt sich in Wirklichkeit aus zwei Kirchen zusammen, die deutlich zu unterscheiden sind. Die erste ist niedrig, dunkel und ruht auf vier dicken Pfeilern. In ihrer Architektur hat sie etwas Bäuerische und erinnert an unsere ältesten romanischen Krypten. Sie ist anscheinend viel älter als die zweite Kirche, mit der sie durch eine Thür verbunden ist.

Diese zweite Kirche hat höhere Gewölbe und ist mit eleganten Säulen geschmückt. Die Kuppel wurde im Jahre 1827 durch ein Erdbeben zerstört. Durch das offene Loch scheint jetzt der tiefblaue Himmel herein, und das einströmende Licht belebt die Farbentöne der vulkanischen Steine. Alles dieses stimmt mit einander und der ganzen Architektur des Baues überein. Zur Seite dieser Doppelkirche finden sich drei Betsäle, wovon bloß einer etwas Interesse einflößt, und eine kleine Kirche, die jünger als die große und auch in einem hübscheren Stil erbaut ist.

Nach dem Frühstück bei dem russischen General gab uns dieser fünf Empfehlungsschreiben für die verschiedenen Distriktsvorsteher des Gouvernements Eriwan. Wir erreichten Akhta, vollständig zufrieden mit unserm Ausflug und der uns zu teil gewordenen Aufnahme.

In der Ferne merkten wir den Ararat; das Land, das wir überschritten, ist ganz vulkanisch. In dem Posthause zu Phontanka schliefen wir.

13. September.

An dem Morgen war die Kälte eisig. In dem Augenblick, wo wir dachten, abfahren zu können, kamen mehrere russische Beamten, die einen königlichen Padaroschni besaßen und uns vorgingen. Wir mußten also eine zeitlang warten, bis die Pferde zurückkamen. Um die Langeweile zu verscheuchen, machten wir einen Ausflug in die Umgebung. Ein vulkanisches Plateau verhüllte uns den Ararat, aber gegen Westen erhebt sich zu einer Höhe von 4000 Metern der Alagos mit seinen wilden und zerrissenen Formen.

Die Bauern waren mit dem Dreschen des Getreides beschäftigt. Alle Tennen liegen außerhalb des Dorfes beisammen, wo die ganze Einwohnerschaft zu derselben Zeit mit Dreschen beschäftigt ist. Man thut dieses aus Vorsicht, denn bis in die jüngste Zeit war das Land nicht besonders sicher, und derjenige, der sein Getreide allein drosch, war der Gefahr ausgesetzt, desselben beraubt zu werden.

Der Ausdruck „Dreschen“ kann für diese Thätigkeit eigentlich nicht angewandt werden. In Wirklichkeit wird das Getreide getreten und zerschnitten. Man bedient

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: halbzerfallener
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)