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Spektrums zerlegt werden und die Aufeinanderfolge der Farben sehr leicht erkenntlich ist. Dieser Schmuck hat in dem ganzen Orient eine große Verbreitung gefunden. Die schönste Art davon fanden wir in dem Divan-i-Khas des Palastes des Groß-Moguls in Dehli und im Palast von Amber.

Aber die wahre Schönheit dieses Saales besteht in dem, was die Natur hervorgebracht hat. Hinter einem Marmorbassin öffnet sich ein breites buntes Fenster, das den Blick auf eine geradezu feenhafte Landschaft zuläßt. Zu unsern Füßen, am Grunde eines Wasserfalles von 30 bis 40 Metern, fließt der Senga. Vor uns erhebt sich am Horizonte der Ararat, der eine Ebene von ungefähr dreißig Wersten Ausdehnung begrenzt. Trotz der bedeutenden Entfernung glaubt man sich an den Fuß des Kolosses versetzt. Seine wunderbare Schönheit fesselt jeden, und dieser Anblick ist die beste Auslegung der Worte des Psalmisten: „Wunderbar in den Höhen ist der Herr!“ Man kann hier stundenlang stillschweigend in der Betrachtung des Anblickes verweilen, ohne nur eine Ermüdung zu verspüren.

Der Ararat.

Obgleich der Ararat einer Gebirgskette angehört, wovon mehrere Gipfel eine Höhe von 2500 bis 2600 Metern erreichen, scheint er doch ganz isolirt zu stehen, so riesenhaft sind eben seine Proportionen. Er erhebt sich bis 5160 Meter über den Meeresspiegel und 4350 Meter über das Dorf Aralysch in der Ebene des Aras. Von Aralysch bis zum Gipfel ist der Abhang durch keinen einzigen Vorsprung unterbrochen, so daß dieser Abhang wahrscheinlich der längste ist, der überhaupt auf der Erde vorkommt.

Der kleine Ararat (3960 Meter) liegt südöstlich von dem großen Kegel, mit dem er durch einen Paß verbunden ist.

Die Grenze des ewigen Schnees befindet sich auf dem Ararat in einer beträchtlichen Höhe. Im Sommer reicht auf dem großen Ararat der Schnee nur vom Gipfel abwärts bis zu einer Höhe von 4000 Metern, während der kleine Ararat davon ganz frei ist. Diese Thatsache ist zunächst durch die isolierte Lage des Massivs und dann aber auch durch die außerordentliche Sommerhitze in der Ebene des Aras begründet. Ohne Zweifel trägt auch die vulkanische Natur des Gebirges dazu bei, welche die Aufnahme einer großen Wärmemenge begünstigt. (In der Schweiz z. B. liegt die Schneegrenze durchweg in einer Höhe von 2900 Metern.)

Ungeachtet der Regelmäßigkeit seiner Formen ist der Berg doch schwer zu ersteigen; besonders schwierig fällt es, sich daselbst für das Unternehmen einen Führer zu beschaffen. Die Eingeborenen halten das Besteigen des Berges einfach für unmöglich. Nach ihrem Glauben befindet sich die Arche Noes wohlerhalten auf

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)