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der Spitze des Berges; ein Engel, der zu ihrer Bewachung dient, stößt jeden Sterblichen, der den Aufstieg versucht, in die Tiefe. Dieser Glaube ist so fest in dem Volksgeist eingewurzelt, daß kein Armenier dem Reisenden Parrot Glauben schenkte, nachdem dieser im Jahre 1829 den Ararat glücklich bestiegen hatte.

Seit dieser Zeit wurde der Ararat einige Male erstiegen; aber die Armenier glauben es nicht, und uns erzählte man mit einer sehr ungläubigen Miene, daß die Russen, die einige Tage vorher dieses gefährliche Unternehmen gewagt hatten, vorgaben, endlich zu ihrem Ziele gekommen zu sein.

Obgleich der große Krater des Ararat seit langer Zeit erloschen ist, macht sich doch zuweilen der vulkanische Charakter des Berges durch Erdbeben bemerkbar. Das letzte im Jahre 1840 war schrecklich. Es deckte sich mit dem Wiederöffnen eines alten Nebenkraters. Die Verwüstungen, die das Erdbeben in dem Lande anrichtete, waren außerordentlich; mehrere Tausend Menschen kamen dabei um das Leben.

Der alte armenische Name des Ararat ist Massis; bei den Türken heißt er Aghry-Dagh oder der erhobene Berg; die Perser nennen ihn Keh-i-Nouh oder Berg des Noe.

Die Ruinen der Zitadelle von Eriwan bieten nichts von Interesse, sie sind nur Erdanhäufungen.

Der Bazar ist erbärmlich.

Wir trafen unsere Vorbereitungen zu dem Ausflug nach Etschmiadsin, wo Hyvernat interessante Studien glaubte zu machen können. Wir sollten uns andern Tags daselbst treffen. Der Unter-Gouverneur versprach, uns warme Empfehlungsschreiben mitzugeben.

Datum:

15. September

Wahrlich, die russische Liebenswürdigkeit! Jetzt haben wir einen richtigen Begriff davon. Anstatt in Etschmiadsin zu sein, befinden wir uns auf dem Wege nach Persien, da wir aufgefordert wurden, das russische Gebiet schleunigst zu räumen.

Was für ein Geheimnis mag denn hier walten, und was konnte einen solchen Wechsel veranlassen? Die Antwort auf diese Frage ist sehr einfach; es ist ein H, das dies alles verschuldet.

Als Hyvernat in Rom seinen Paß beglaubigen ließ, hatte er seinen Namen angegeben, wie er im Französischen ausgesprochen wird, nämlich Iverna. Der betreffende Schreiber hielt sich an die Aussprache und schrieb den Namen Üverna in den Paß. Von anderer Seite hatte die Regierung in St. Petersburg von der bevorstehenden Reise des Geistlichen Hyvernat Kenntnis erhalten. (Zwar hatte der Gesandte in Rom Herrn Hyvernat empfohlen, für die Reise in Rußland seine geistliche Kleidung abzulegen.) Da die russischen Beamten die genaue Aussprache des Namens nicht kannten, schrieben sie ihn auf russisch so gut es ihnen möglich war. Nun hat die russische Sprache kein H, sondern ersetzt diesen Buchstaben durch das aspirierte G. Zudem wird das t am Ende ausgesprochen. Auf diese Weise war Hyvernat, da der Name niedergeschrieben werden mußte, zum Gyvernat geworden. Und gerade dieser Gyvernat war der Polizei als ein gefährlicher Mensch empfohlen worden, dessen Beachtung sie nicht versäumen durfte. Für Üverna hatte sie keine besondern Befehle. Dieser Üverna war der Polizei nur insoweit bekannt, den Fürsten Schervatchidza ausgenommen, der genau eingeweiht sein mußte, als ein Mensch, der von

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)