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zu sprechen. Nathanael und ich wurden von dem Gespräche ausgeschlossen. Das Ergebnis der Konferenz war die Vorlegung einer Ordre, die uns aufforderte, Eriwan nach der persischen Grenze hin zu verlassen und zwar innerhalb zwei Stunden, folglich also bis Mitternacht. Nach einigen Einwänden glaubte der Untergouverneur es auf sich nehmen zu können, wenn er einen Aufschub bis zum folgenden Morgen bewilligte.

Woher kam nun dieses Mißgeschick? Der Gouverneur Schalikoff hatte ohne Zweifel überlegt, nachdem er uns die Empfehlungsschreiben gegeben hatte: soeben habe er einen Herrn Üverna empfangen, der von der französischen Regierung mit einer wissenschaftlichen Mission betraut war; ein gewisser Gyvervat, der unter der selben Zweckangabe reiste, sollte nächstens den Kaukasus passieren, ohne sich daselbst aufzuhalten. Die Reisenden dieser Art sind nicht zahlreich, und hier sind zwei Namen, die eine auffallende Ähnlichkeit haben. Sollten nicht beide Namen ein und derselben Person angehören? Schnell telegraphiert der alte Schalikoff und befiehlt genau zu untersuchen, ob wirklich Üverna und Gyvernat dasselbe Individuum seien, und falls dies zutreffe, ihn innerhalb zwei Stunden auszuweisen.

Da hatten wir die richtige Auslegung der Worte : „reisen ohne Aufenthalt“.

Es blieb dabei; vergebens legten wir die Papiere vor, die sich auf Etschmiadsin bezogen, vergeblich baten wir, das Kloster unter der Aufsicht zweier Polizeibeamten und mit dem ausdrücklichen Versprechen, mit keinem Mönche des Klosters zu sprechen, besuchen zu dürfen. Gyvernat ist zu gefährlich für den Zaren und sein weites Reich, es ist besser, daß er abreist!

Was würde der alte General erst gesagt haben, wenn er geahnt hätte, daß die beiden Begleiter des schrecklichen Gyvernat auch Priester waren?

Des Morgens in aller Frühe reisten wir ab, nachdem uns noch die zweifelhafte Ehre zu teil geworden war, von einem besondern Postillon begleitet zu werden. An jeder Poststation kündigte er uns feierlichst durch das Geschmetter seines zersprungenen Hornes an. Seine ganze Sorge bestand darin, die Fahrt zu beschleunigen, um uns um so eher an der Grenze absetzen zu können. Ohne Zweifel hatte er auch den Auftrag erhalten, uns zu überwachen.

Von Eriwan nach Dschulfa steigen wir beständig das Thal des Aras hinab. Die Armenier nennen ihn Erask, nach Erasd, dem Sohne des ersten fabelhaften Königs Armenas von Armenien, der gegen das Jahr 2000 vor Christus regiert haben soll.

Der Aras hat seine Quelle in der Nähe von Erserum. Sein bedeutendster Arm, der Pasinsu, entspringt auf dem Nordabhang des Bingöl-Dagh (Gebirge der tausend Seen), der seine Gewässer teils zum Aras, teils aber auch zum Euphrat schickt. Ein anderer Arm hat seine Quelle auf dem Ostabhang des Pandeuken, kaum einige Stunden von Erserum. Die beiden Arme vereinigen sich zu Keüprükeui (Köprü-köi) (dem Brückendorf) und der Fluß fließt nach Osten bis zur Höhe von Eriwan. Vor seiner Ankunft daselbst wird er durch den Arpa-tschai bedeutend verstärkt. Dieser große Fluß nimmt die Zuflüsse der Höhen von Alexandropol und Kars aus und befähigt erst den Aras, die Ebene von Eriwan zu bewässern.

Hier drängt er sich auch durch die Gebirgsmassive des Goktscha und Karabagh: Zugleich ändert er auch seine Richtung und fließt nach Süden oder vielmehr beschreibt

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)